von Julia Ruppert (18.Jul.2025)
Im vergangenen Wintersemester habe ich mein Auslandssemester an der Kyushu University in Fukuoka, einer japanischen Großstadt, verbracht. Um die Uni oder meinen Alltag soll es aber in diesem Bericht nicht gehen. Auf meiner To-Do-Liste stand nämlich eine Sache ziemlich weit oben: Baden gehen. Das habe ich fleißig abgehakt – in verschiedenen Badehäusern und sogar in einer Tonne! Mehr dazu später.
JAPANISCHE BADEKULTUR – ONSEN UND SENTO
Japan hat eine sehr lebendige Badekultur, die aus der früheren Notwendigkeit entstand, sich außerhalb des eigenen Heims ohne Badezimmer waschen zu müssen. Auch wenn die Japaner*innen heutzutage nicht mehr darauf angewiesen sind, sich in öffentlichen Badehäusern zu reinigen, werden diese Orte immer noch von vielen Japaner*innen regelmäßig aufgesucht, vor allem zur Entspannung.
Es wird zwischen Onsen (温泉) und Sento (銭湯) unterschieden.
Kommt das Badewasser aus einer natürlichen Quelle, spricht man von einem Onsen. Besonders in vulkanisch aktiven Regionen finden sich in Japan zahlreiche solcher Quellen und – dementsprechend – Badehäuser. Diese unterscheiden sich unter anderem in Mineralgehalt, Bauform und Temperatur, welche durch natürliche Abkühlungsmethoden erreicht wird. Sento hingegen sind öffentliche Badehäuser, die es vor allem in großen Städten gibt – oft sogar ein Sento pro Nachbarschaftsviertel. Anders als die Naturstein- oder Holz-Bäder der Onsen, wird das Wasser in Sentos aus dem normalen Wassersystem genutzt und künstlich erwärmt. Die Badehäuser sind oft überschaubar und mit Becken unterschiedlicher Art ausgestattet. Ich habe bspw. elektrische Bäder (dazu später mehr), Kräuterbäder, kohlensäurehaltige Bäder, kalte Bäder oder Bäder mit Düsen gesehen. In manchen Sentos gibt es sogar eine Sauna. Die Wände sind gefliest und haben typischerweise eine dedizierte Fläche für ein Fuji-Mural.
ABLAUF (UND REGELN) EINES BADEHAUSBESUCHS
Die beschriebenen Szenarien entsprechen meinen Erfahrungen und Wahrnehmungen und sind eventuell nicht vollständig.

Eingang
Beim Betreten eines Badehauses, egal ob Onsen oder Sento, gilt der gleiche Ablauf und die größtenteils gleichen Regeln. Das Gebäude wird meist durch einen Vorhang betreten, wie man sie auch häufig bei Restaurants und Ähnlichem findet. Im Eingangsbereich werden direkt die Schuhe ausgezogen und in kleinen Fächern verstaut. Im Vorraum des Badehauses gibt es eine Art Rezeption und häufig einen Automaten, an dem man „Tickets“ kaufen kann – für den Eintritt, den Saunaaufschlag und falls notwendig, LeihHandtücher, Shampoo und Seife (falls nicht im Badbereich vorhanden. Ohne Automat bezahlt man einfach an der Theke. Der Eintritt hat meistens um die 500 Yen (3€) gekostet und fast immer unter 1000 Yen. Handtücher etc. meist nur 50 oder 100 Yen (unter 1€). In diesem Vorraum gibt es einen Entspannungsbereich (in größeren Badehäusern ist dieser ein separater Raum) und die Möglichkeit, Getränke zu kaufen, meist durch einen Automaten. Auch Automaten mit kleinen Milchfläschchen sind häufig. Das Trinken einer kalten Milch gehört für viele zur Badekultur der Japaner*innen. In diesen Räumen habe ich manchmal auch Fernseher, Massagesessel oder Eiscreme-Verkaufsautomaten gesehen.
Umkleide
Ausgestattet mit den eigenen oder geliehenen Handtüchern durchschreitet man einen weiteren Vorhang: in die Umkleidebereiche. Diese und die Bäder selbst sind nach den Geschlechtern Männer und Frauen aufgeteilt. Als Frau gehe ich durch den meistens roten Vorhang mit dem großen Kanji ゆ für 湯 (heißes Wasser) und ggf. dem kleineren Kanji für Frau (女) darauf, bei den männern ist dann der Vorhang im Gegensatz blau und trägt das Kanji für Mann (男). Die Umkleide ist ein Raum mit Spinden an den Wänden, meistens mit einer Bank oder Sitzgelegenheit in der Mitte und einer Wand mit Spiegeln, Waschbecken und Föhns. Es gibt eine separate Toilette und eine Waage. Mir wurde erklärt, dass sich viele Japaner*innen vor und nach dem Baden wiegen. Vor allem im Sento habe ich ab und zu auch eine Waschmaschine in diesem Raum gesehen. Japanische Waschgänge dauern je nach Waschmaschine nur eine halbe Stunde – für viele genau der Zeitraum eines Sento-Besuchs. Smartphones sind in diesem Bereich bereits streng verboten.
Reinigung
Nachdem man sich nun der Kleidung entledigt und alles im Spind verstaut hat, geht es nur mit einem kleinen Handtuch (oder mit den eigenen Waschprodukten, manche Japaner*innen auch mit einer eigenen Schüssel) durch eine Glastür in den Badebereich. Ab hier ist alles nass. In manchen Badehäusern geht man zuerst durch einen separaten „Reinigungsbereich“, meistens sind die Waschstationen jedoch an den Wänden des Raumes verteilt. Diese Stationen sehen überall gleich aus: Es gibt einen kleinen Plastikhocker, eine Plastikschüssel, einen Spiegel und den Wasserhahn, an dem man die Temperatur des Wassers einstellen kann. In älteren Badehäusern gibt es oft nur einen heißen und einen kalten Wasserstrahl und man muss das Wasser in der Schüssel im für sich richtigen Verhältnis mischen. Traditionell wäscht man sich dann im Sitzen auf dem Hocker zum Spiegel gerichtet, indem man immer wieder das Wasser mit der Schüssel über den Kopf und den Körper kippt und sich dazwischen reinigt. Modernere Badehäuser haben sogar Duschbrausen, dennoch sollte man sich immer im Sitzen waschen und stets darauf bedacht sein, das Wasser im eigenen Bereich zu halten. Ich habe Frauen im Sento gesehen, die dem Anschein nach ihre ganze abendliche Routine auf diesem Hocker erledigt haben – inklusive Zähne putzen, Haarkur und Körperpeeling. Nachdem man sich nun gründlich gewaschen und jeden Schaum-Rückstand vom Körper gespült hat, kippt man eine Schüssel voll Wasser über seine Station und den Hocker, auf dem man gesessen hat, um wiederum diese zu reinigen. Zuletzt stellt man Hocker und Schüssel wieder an die vorgesehene Stelle und dann ist man bereit, in die Becken zu steigen.
Bad
Der Moment, auf den wir alle gewartet haben – endlich ins Becken. Lange Haare sollten dafür hochgebunden werden. Das Wasser ist deutlich heißer, als wir es von Bädern und Thermen hier in Deutschland gewöhnt sind und fängt meist zwischen 35–40° Celsius an. Oft stehen Kellen zur Verfügung, mit denen man etwas Badewasser am Beckenrand über sich kippen kann, um sich an die Temperatur zu gewöhnen. Im heißen Wasser sollte man besser nicht länger als 10-15 Minuten am Stück bleiben (wenn man es überhaupt solange aushält). Ich habe mich immer zwischendurch abgekühlt und konnte auch einige Japanerinnen bei dieser Methode beobachten. Viele Badehäuser haben ein kaltes Becken, in das man entweder komplett reinsteigen oder, je nach Bedarf, mit einer Kelle kaltes Wasser auf dem Körper verteilen kann. In diesen kalten Becken konnte ich mehrere Minuten verbringen, in denen mein Körper nach dem ersten Schock langsam herunterfährt und entspannt. Wenn es kein kaltes Becken gab, habe ich mich an einer Reinigungsstation mit kaltem Wasser übergossen. Ohne diese Abkühlungen zwischendurch wurde mir schnell etwas schwindelig. Und danach fühlt sich das heiße Wasser wieder umso besser an. Man kann solange baden, wie man möchte, viele routinierte Japaner*innen halten ihren Besuch jedoch eher kurz. Im Sento habe ich mich nach dem letzten Bad meistens noch einmal abgeduscht – Im Onsen hingegen wird sogar empfohlen, das Badewasser nicht abzuwaschen, damit die Mineralien aus dem Wasser noch weiter auf der Haut wirken können.
Schluss
Bevor man wieder die Umkleide betritt, sollte man sich soweit abtrocknen, dass man nicht mehr auf den Boden tropft. Vor dem eigenen Spind kann man sich dann gründlich trocken rubbeln, bei Bedarf eincremen und wieder anziehen. Vor den Spiegeln stehen Taschentuchboxen und Föhns zur Verfügung, diese sind entweder kostenlos oder kosten wenige Cent pro Minute. Durch den Vorhang tritt man wieder zurück in den Eingangsbereich und begegnet häufig frisch gebadeten Männern oder Frauen, die auf jemanden aus dem jeweils anderen Bad warten. Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um den bereits am Anfang bemerkten Getränkeautomaten zu nutzen, wie zum Beispiel für die erwähnte kleine Milch. Mein Favorit war ein isotonisches, stilles Getränk, was meistens direkt aus dem Automaten zu kalt war, um viel davon zu trinken. Und viel zu trinken ist beim Besuch eines Onsen oder Sento sehr wichtig, denn man schwitzt viel im heißen Wasser, ohne es wirklich zu merken! Im Badbereich selbst darf man für gewöhnlich keine Getränke mitnehmen, also sollte man auf jeden Fall davor und danach auf genug Flüssigkeitszufuhr achten. Wenn man sich bereit fühlt, kann man den Entspannungsbereich verlassen, ggf. die geliehenen Handtücher zurückgeben, im Eingangsbereich zurück in die Schuhe schlüpfen und mit einem „Danke!“ auf Japanisch zum Abschied das Badehaus verlassen.

WEITERE REGELN UND WISSENSWERTES
Tattoos (meistens) verboten
Im Großteil der Badehäuser Japans ist das Baden für Menschen mit Tätowierungen nicht erlaubt. Grund dafür ist, dass in Japan Tattoos historisch mit den Yakuza (der japanischen Mafia) assoziiert werden. Als ich das bei meiner Vorbereitung auf das Auslandssemester herausfand, war ich zuerst ganz schön geknickt. Meine Tattoos sind so zahlreich und groß, dass es keine Option wäre, sie abzukleben. Bei kleinen Tattoos ist das häufig eine Möglichkeit, trotz Tattoo-Verbot keine Probleme im Badehaus zu bekommen. Für mich bedeutete es vor allem: Recherche, Recherche, Recherche. Es gibt zum Glück Webseiten, auf denen Tattoo-freundliche Sento und Onsen gesammelt werden. Ich habe meine Ausflüge und meine Reise am Ende des Auslandssemesters dementsprechend akribisch geplant, damit ich möglichst oft baden gehen kann. (Um es bei meinem ersten Onsen-Besuch prompt zu vergessen, dazu später mehr.)
Leise sein
Badehäuser sind Orte der Entspannung. Von Zeit zu Zeit habe ich englischsprachige Regeltafeln gesehen, meist waren diese jedoch auf Japanisch oder ich habe sie nicht bemerkt. Man merkt jedoch schnell, dass diese Orte für gewöhnlich bis auf die Wassergeräusche sehr ruhig sind und laute Unterhaltungen unerwünscht sind. Wenn ich mit einer Freundin oder auf meiner Reise mit meiner Schwester in ein Badehaus gegangen bin, haben wir so leise wie möglich gesprochen. Manchmal haben sich auch die Japanerinnen unterhalten, normale Redelautstärke habe ich dabei aber nur selten und in Außenbecken oder mit Kindern erlebt. In Badehäusern, die eine große Halle waren und die in der Mitte durch eine nicht bis zur Decke reichenden Wand für Männer und Frauen geteilt wurde, hörte ich ab und zu laute Männerstimmen.
Das kleine Handtuch und Nacktheit
In Badehäusern werden zwei Handtüchern benutzt: ein großes und ein kleines Handtuch. Wozu das kleine Handtuch? Es ist eher dünn und grob gewebt und dazu zu klein, um meine nassen Haare darin einzuwickeln. Im Bad sah ich, wie die meisten Frauen das Handtuch zusammengefaltet auf dem Kopf liegen hatten. Dabei kam ich mir allerdings etwas merkwürdig vor und fand es auch überhaupt nicht einfach, es auf dem Kopf zu behalten – und es sollte nach Regeln auf gar keinen Fall das Badewasser berühren. Dementsprechend habe ich es am Anfang oft einfach komplett weggelassen. Mit der Zeit realisierte ich allerdings den Nutzen, sich mit diesem Handtuch grob abzutrocknen, bevor man zurück in die Umkleide geht (vor allem für die Toilette praktisch). Einmal habe ich beobachtet, wie sich eine Frau an der Waschstation mit diesem Handtuch nass und voll Seife sauber schrubbte und gelegentlich habe ich Frauen gesehen, die sich das Handtuch vor den Schritt hielten, wenn sie im Bad herumliefen. Die meisten waren jedoch unberührt davon, dass wir alle nackt waren. Ich persönlich fand es sehr angenehm, in so einem Raum zu existieren, wo das Aussehen des Körpers so irrelevant und die Nacktheit so normal war. Selbst als ich mit meiner neuen Freundin Lise aus Frankreich im Sento war, verhielten weder sie noch ich sich beschämt. Ich glaube, dass die Geschlechteraufteilung für ein angenehmes Klima sorgt.
Kinder, Familien und private Bäder
Es ist nicht unüblich, dass Eltern ihre Kinder mit ins Badehaus nehmen. Von Kleinkind bis ins hohe Alter habe ich jede Altersklasse gesehen. Im Kleinkindalter spielt auch das Geschlecht keine Rolle, Hauptsache die Kinder werden von einem Elternteil begleitet. Größere Onsen bieten dazu häufig private Bäder, die für einen bestimmten Zeitraum gemietet werden können. Da können gemischtgeschlechtliche Familien oder auch Paare gemeinsam baden. Im privaten Bad sind sogar Tattoos erlaubt. Ich selbst habe kein privates Bad erlebt, da sie bei der einen Gelegenheit in einem großen Onsen bereits für den Tag ausgebucht waren.
ONSEN UND SENTO, DIE ICH BESUCHT HABE
Beppu
Für meinen ersten Onsen-Besuch plante ich kurz vor Weihnachten einen Wochenend-Ausflug mit meinem Freund in die größte Onsen-Stadt Japans: Beppu – mit dem Auto etwa 150 km von Fukuoka entfernt. Beim Einfahren in die Stadt fiel direkt auf, wie es sogar aus den Gullideckeln der Straße dampfte und ein Schwefelgeruch ins Auto zog. Am ersten Abend suchten wir uns spontan einen kleinen Onsen in der Nähe unserer Unterkunft und erst in der Umkleide ist mir aufgefallen, dass ich gar nicht geprüft habe, ob dort Tattoos erlaubt sind. Da Beppu eine touristische Stadt und auch Ziel vieler westlicher Tourist*innen ist, sind mehr Onsen als üblich Tattoo-freundlich, aber sicherheitshalber sollte man immer nachschauen oder fragen. Badehäuser, die Tattoos verbieten, sprechen offensichtliche Tourist*innen für gewöhnlich darauf an. Ich ging jedenfalls sehr nervös ins Bad und orientierte mich zum Ablauf an den japanischen Frauen. Ordentlich gewaschen stand ich nun im dampferfüllten Raum vor zwei Becken, von denen eins bereits mit drei Frauen belegt war und ich mich nicht dazu drängen wollte. Ich stieg also zuversichtlich in das leere Becken daneben und musste mich sofort am Beckenrand festhalten, weil mich die Temperatur total umgehauen hat. So bin ich doch in das andere Becken, welches immer noch heiß war, aber etwas erträglicher. Immer noch nervös, dass jemand kommt, um mich rauszuschmeißen, hielten mein Kreislauf und ich es nach 5–10 Minuten nicht mehr aus und ich habe meine erste Onsen-Erfahrung abgebrochen. Im Ruhebereich habe ich mich allmählich beruhigt und fleißig mein viel zu kaltes Getränk getrunken und nach einer halben Stunde kam schließlich auch mein Freund krebsrot und freudestrahlend durch den Vorhang aus der Umkleide heraus.
Nachdem wir am nächsten Tag einen nahegelegenen Berg erklommen hatten, probierten wir es noch einmal. Dieses Mal hatte ich einen großen Onsen herausgesucht, der definitiv Tattoo freundlich war und in dem wir sogar zusammen ins Sandbad gehen konnten. Dafür bekamen wir an der Rezeption Yukatas (eine Art leichterer Kimono aus Baumwolle) und konnten uns, in diese gekleidet, in einem Raum mit Sandgruben gegenseitig einbuddeln. Der Sand wurde dabei von unten erwärmt, war also umso wärmer, je tiefer man grub. Fertig eingebuddelt fühlte ich mich sehr warm und wohlig – so stelle ich mir auch eine gewichtete Decke vor. Danach mussten wir uns trennen, um in die Bäder zu gehen. Dort wurde mir allerdings auch alleine nicht langweilig. Es gab so viele verschiedene Bäder, drinnen sowie draußen und sogar ein Dampfbad! Beim Wasserfallbad habe ich mir vom Strahl den Rücken massieren lassen, eine halbe Ewigkeit habe
ich zwischen heißem und kaltem Becken gewechselt und draußen den in die Dunkelheit aufsteigenden Dampf und die Aussicht auf einen kleinen Wasserfall genossen. Kurz vor der abgesprochenen Zeit entdeckte ich einen weiteren Bereich, den ich bisher übersehen hatte, und schrieb meinem Freund, dass ich nochmal 20 Minuten bräuchte. In einem irisierend gefliesten Becken las ich mir die Infotafeln über die Quelle durch und probierte auch noch das zweite Außenbecken aus. Ich hätte bestimmt noch ein bis zwei Stunden länger dort bleiben können, wären da nicht noch Abendessen-Pläne gewesen. Zum Überbrücken aßen wir im Onsen selbst noch ein Onsen-Ei. Diese werden im Quellenwasser oder -dampf langsam gekocht oder gedämpft und bekommen dadurch besonderen Geschmack und Konsistenz. Der letzte Tag war unser Abreisetag und wir frühstückten ein frühes Mittagessen bei einer Art Outdoor-Kantine neben einem Forschungsinstitut. Dort dampfte es überall aus verschiedenen Rohren und wir durften zuschauen, wie die Köchin die frischen, ersten Eier des Tages in den Onsen-Dampf legte. Wir aßen jeweils eines dieser Eier zu unserer regionalen Miso-Suppe und haben danach noch unsere Füße ins Fußbad nebenan gehalten, bis sie sich wie gekocht anfühlten.





Kinosaki Onsen
Bei meiner Recherche über Tattoo-freundliche Onsen stieß ich auf den Badeort Kinosaki Onsen. Etwa drei Stunden mit dem Zug von Kyoto und Osaka entfernt, plante ich eine Nacht der Reise mit meiner Schwester dort ein. Der schnuckelige Ort verfügt über sieben Onsen und hat entschieden, komplett Tattoos zu erlauben, um mehr internationale Tourist*innen anzulocken. Erfolgreich angelockt wanderten meine Schwester und ich traditionsgemäß zuerst zum Tempel des Schutzpatrons des Ortes, dankten diesem und fuhren im Nieselregen mit Seilbahn und Aussicht zurück in den Ort. Im Ryokan (einem traditionellen japanischen Gasthaus) wurden wir mit einem Pass für alle Badehäuser, Yukata, Haori (eine Kimono-Überjacke), Handtüchern, Körben, Tabi-Socken (der große Zeh vom Rest der Zehen getrennt) und flachen Holzsandalen mit Absätzen ausgestattet und zogen so klackernd auf die Hauptstraße des Dorfes. Durch den malerischen Ort lief ein kleiner Fluss mit zahlreichen Brücken und Bäumen, links und rechts davon zahlreiche kleine Geschäfte und fast alle Besucher*innen mit Yukata und Holzsandalen unterwegs, ein besonderer Anblick. Über den ganzen Ort sind sieben Badehäuser verteilt, von denen sich eins in Renovierung befand. Die Onsen sind traditionell bis modern, unterschiedlich groß und vor allem unterschiedlich heiß. Ich
suchte für uns Anfängerinnen die weniger heißen aus. Bei jedem Badehaus konnte man außerdem Stempel sammeln. Meine Schwester und ich haben am ersten Tag zwei Onsen geschafft, waren dann Sushi essen und machten auf dem Weg zurück in unser Ryokan einen Snack-Zwischenstopp im Convenience Store. Die Idee hatten auch viele der anderen jungen Badehaus-Besucher*innen und die Geräuschkulisse von Geschäfts-Jingles und klackernden Holzsandalen werde ich nie vergessen. Am nächsten Tag besuchten wir nach dem Check-Out noch einen weiteren Onsen und machten uns dann – intensiv erholt – auf den Weg zu unserem nächsten Ziel. Die von uns besuchten Badehäuser an diesem Ort waren eher klein mit ein bis zwei Becken. Jedes hatte ein Außenbecken aus Stein und das letzte Badehaus hatte zudem ein Indoor-Becken neben dem Outdoor-Becken, welches fast wie eine Höhle von Stein umgeben war.


Unzen Onsen
Eine letzte nennenswerte Erfahrung ist der Ort Unzen Onsen im gleichnamigen Vulkangebirge der Präfektur Nagasaki. Dort war, ähnlich wie in Beppu, der Schwefelgeruch allgegenwärtig. Wir aßen auch dort Onseneier am Shinto-Schrein, wanderten und fuhren mit der Seilbahn, um einen rauchenden Vulkan zu sehen und belohnten uns mit einem Bad in einem Onsen, dessen Gebäude vollständig aus Holz und das Becken aus Stein bestand und in dessen dampferfüllter Badehalle das Wasser von der Decke tropfte. Auf dem Weg dorthin liefen wir über dampfende Felder und auch aus dem Fenster am Becken im Bad konnte ich es hinter dem Badehaus in der Natur dampfen sehen. Der Besuch dort war leider viel zu kurz!


Sentos in Großstädten
Mein erstes Sento besuchte ich, als ich Anfang Januar für ein paar Tage allein nach Tokyo reiste. Überwältigt von allen Eindrücken und der Menge an Möglichkeiten, hatte ich abends gar keine Energie mehr und ging deswegen ins Badehaus. Mir wurde bereits eins als Tattoo-freundlich empfohlen und ich ging dort direkt als erstes hin. Das moderne Sento hatte einige verschiedene Becken und ich genoss es, zwischen heiß und kalt, draußen und drinnen hin- und herzuwechseln. Dort begegnete ich zum ersten Mal einem elektrischen Bad. Als ich mit einem Bein ins Becken stieg, bekam ich plötzlich ein ganz merkwürdiges, unangenehmes Gefühl in den Muskeln und ich zog das Bein direkt wieder heraus. Für mich war das alles andere als angenehm muskelstimulierend. Seitdem vermeide ich diese Bäder, kann aber trotzdem darin baden, da der Stromfluss nur in kleinen beschrifteten Bereichen spürbar ist, die ich seither erkenne.
Mit meiner Schwester war ich vor allem in Osaka und in Tokyo im Sento. Da wir oft günstig in nicht den zentralsten Gegenden übernachteten, konnten wir die lokalen Badehäuser testen und waren dort fast ausschließlich die einzigen Nicht-Japanerinnen. Das waren besondere Erfahrungen. In Osaka waren wir in einem Bad, das total retro war und mit um die zehn verschiedenen, zum Teil farbigen Fliesen gefliest war. In Tokyo waren wir in einem Sento in der Sauna und ich wurde von einer sehr alten Frau vollgequatscht, die ich kaum verstehen konnte, bis eine weitere Frau dazukam und für mich in verständliches Japanisch oder im Notfall Englisch übersetzt hatte. Das war sehr ungewöhnlich. Bisher wurde ich bei all meinen Badehaus-Besuchen nur ein einziges Mal angesprochen, und das weil ich unerlaubt in der Sauna war.
Sogar in Fukuoka habe ich nach Empfehlung eines japanischen Kommilitonen ein Tattoo freundliches Sento gefunden, dort war ich wie weiter oben beschrieben mit einer Freundin. Die wenigen Onsen in der unmittelbaren Gegend hatten leider alle Tattoo-Verbot. Mit den Ausflügen konnte ich mich aber durchaus zufrieden geben und war so oft baden, wie es ging!
HIGHLIGHTS – BADEN IM TEMPEL
Auf der Reise mit meiner Schwester haben wir eine Nacht im buddhistischen Tempeldorf Koyasan in den Bergen südlich von Osaka übernachtet. Diese Erfahrung ist eigentlich einen eigenen Bericht wert, an dieser Stelle möchte ich aber vor allem das gemeinschaftliche Bad hervorheben. Dieses war wie ein Badehaus im Miniformat: drei Waschstation und ein kleines Holzbecken mit heißem Wasser. Wir waren zum Zeitpunkt unseres Bads alleine und ich konnte die Gelegenheit nutzen, um ein paar Fotos mit dem Smartphone zu machen. Es hat sich angefühlt, wie ich mir ein privates Bad vorstelle und hat perfekt zur Atmosphäre des Tempels gepasst, in dem wir übernachtet haben.

HIGHLIGHTS – BADEN IN DER TONNE
Anfang Februar wurde es langsam wärmer und das Wohnheim der japanischen Studenten neben unserem internationalen Wohnheim veranstaltete ein Grillen. Alle Internationals waren eingeladen und Dominik, Oli und ich waren als hda-Truppe als einzige dabei. Nachdem wir uns die Bäuche vollgeschlagen und den ein oder anderen Wein und Sake getrunken hatten, fingen die Japaner an, die schon die ganze Zeit bereitstehende Tonne mit Wasser zu füllen. Bambus wurde kleingehackt und unter der Tonne ein Feuer angezündet. Der Japaner Kai trug einen roten, traditionell japanischen Lendenschurz (ein langes Stück Stoff, welches wie bei Sumoringern auf bestimmte Weise um Hüfte und Schritt gewickelt wird), der Rest ging in Unterhose ins heiße Wasser. Mithilfe einer Leiter kletterte einer nach dem anderen in die Tonne. Ich rannte in mein Zimmer und holte meinen Badeanzug, der nur auf diesen Augenblick gewartet hatte und ja sonst nie zum Baden gebraucht wurde. Als einzige Frau in der Reihe verbrachte ich also auch zwei mal meine 5–10 Minuten in der „Onsen“-Tonne und war überglücklich mit dieser Erfahrung.




