Vollversammlung An Der H_DA – Teure Wohnheime, Ziviler Ungehorsam & Wahlkampf
VON LUCIA JUNKER
Jede*r dritte Studierende war im vergangenen Jahr in Deutschland von Armut betroffen, so das Statistische Bundesamt. Doch für viele Studierende spitzt sich die Lage weiter zu. Es bleibt nicht beim teureren Wocheneinkauf oder den höheren Mietkosten für das eigene WG-Zimmer. Das Studierendenwerk Darmstadt hat die Mieten und Energiekostenpauschalen der Wohnheime erhöht, Preissteigerungen bei vegetarischen und veganen Gerichten in der Mensa Schöfferstraße angekündigt und die Lernräume an der Hochschule sind zwischen den Jahren geschlossen. Unter dem Motto „Studieren statt frieren“ hatte der AStA angesichts dessen zu einer studentischen Vollversammlung aufgerufen. Rund 70 Studierende versammelten sich am Dienstag, den 20. Dezember dafür am Hauptcampus der H_da, zwischen 10 und 20 Studieneden waren per Livestream aus Dieburg zugeschaltet.
Manuel Flauaus und Lena Borgholte, die AStA-Refernt*innen für Hochschulpolitik, sowie Halis Teke, der AStA-Referent für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende, leiteten die Vollversammlung. Thema für Thema arbeiteten sich die Studierenden an den sich häufenden Schieflagen ab. Sie berichteten von ihrer persönlichen Lebenssituation und diskutierten, wie die Studierendenschaft gegen diese „beschissene Situation“, wie sie auf der Versammlung auch genannt wurde, vorgehen könnte. Ein Thema, das viele Studierende beschäftigte, waren die gestiegenen Wohnkosten in den Wohnheimen. Das Studierendenwerk Darmstadt betreibt acht Wohnheime mit 2765 Plätzen und hat vor Kurzem nicht nur die Miete um 20 Euro erhöht, sondern auch die Nebenkostenpauschale um 45 bis 55 Euro. Manuel Flauaus konnte in Bezug darauf zumindest eine Nachricht verkünden, die bei einigen Studierenden für etwas Erleichterung gesorgt haben könnte: das Land Hessen habe bereits zugesprochen, einen Hilfsfonds einzurichten, für Menschen, die ihre Nebenkosten wirklich nicht mehr zahlen können. Flauaus kritisierte jedoch, was Studierende alles preisgeben müssten, bevor Sie diese Hilfe bekämen. Ein Studierender aus dem Fachbereich Soziale Arbeit pflichtete ihm bei: „Warum muss ich als studierende Person erst richtig am Arsch sein, bevor ich eventuell irgendwas bekomme?“ Zustimmendes Klopfen auf den Tischen dröhnte daraufhin durch den Vorlesungssaal. Nicht nur die Wohnsituation bereitet den Studierenden, die die Vollversammlung besuchten, Schwierigkeiten – auch die fehlenden Lernräume sind für sie ein Problem. Einige Fachbereiche haben in den letzten Semestern die Zahl der Lernräume am Campus minimiert, so zum Beispiel der Fachbereich EIT.
Für besonders großen Diskussionsbedarf sorgten die Mensapreise. Das Studierendenwerk Darmstadt hat angekündigt, den Berechnungsschlüssel für energieintensive Speisen abzuschaffen. Damit würden die Preise für vegane oder vegetarische Gerichte voraussichtlich steigen und die für Fleischgerichte sinken. Der Grund dafür sei, so das Studierendenwerk: eine einfachere Berechnung durch angepasste Preise, aber auch höhere Einnahmen, um das Haushaltsdefizit auszugleichen. Auch aus Dieburg meldeten sich Studierende über den Livestream zu Wort und klagten über das mangelhafte Essensangebot der Mensa am Mediencampus und die fehlenden Alternativen – außer dem nächsten Netto gäbe es da keine. AStA-Referentin Lena Borgholte brachte die Idee ein, dass die Studierendenschaft auch zivilen Ungehorsam gegen die steigenden Mensapreise nutzen könnte. Daraufhin wurde die Vollversammlung zur Wahlkampfarena: Vertreter der zwei großen Listen, die zur kommenden Wahl des Studierendenparlaments antreten, meldeten sich zu Wort. „Ich finde, das ist keine Sache, wo es Aktivismus bedarf. Ich finde wir sollten auf einer politischen Ebene bleiben. Wir sollten es uns nicht mit der Hochschule verscherzen und zu früh zu scharfe Waffen benutzen.“, meint Nikita Desch von der Liste für Nachhaltige Entwicklung (bie:ne) zu Borgholtes Vorschlag. Daraufhin richtet sich Sascha Wellmann von der Linken Liste (F.I.S.H.) an seine Mitstudierenden: „Mich wundert, dass hier darüber diskutiert wird, ob wir gerade zu hohe Waffen auffahren, wenn es darum geht, auf diese schreckliche Situation aufmerksam zu machen und die Politik dazu auffordern zu wollen, etwas daran zu bessern!“
Die Moderator*innen unterbrachen die Wahlkampfdebatte, da die Versammlung bereits weit in der Zeit fortgeschritten war und leiteten auf den wohl wichtigsten Punkt der Vollversammlung über: die geplante Protestaktion am 17. Januar. AStA-Referent Manuel Flauaus berichtete von der Landes-ASten-Konferenz, bei der verschiedene ASten aus Hessen beschlossen hatten, am 17. Januar eine gemeinsame, dezentrale Protestaktion zu starten, um auf die prekäre Situation von Studierenden aufmerksam zu machen. Doch anstatt zu diskutieren in welcher Form die Protestaktion ablaufen solle – als Demo, Sternmarsch oder nur als Kundgebung – stritten die Anwesenden der Vollversammlung darüber, ob und welche Bündnis-Partner*innen sich der Protestaktion anschließen können oder dürfen.
Für den Nachmittag hatte der AStA zu verschiedenen Workshops eingeladen, in denen es um die Planung der Protestaktion oder den Umgang mit Wohnheim- und Mensapreise ging. In den Workshops war nur noch ein Bruchteil der Studierenden anwesend. In den kleinen Gruppen liefen die Diskussionen jedoch konstruktiver ab. Die wenigen Anwesenden der rund 16 000 Studierenden der Hochschule Darmstadt konnten zwar nicht mit einem konkreten Plan die Vollversammlung und die Workshops verlassen, aber mit einer Menge Ideen, Anregungen und der Entschlossenheit, am 17. Januar auf die Straße zu gehen.
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Ob diese Vollversammlung notwendig bzw. sinnvoll war? Mir scheint es eher ein Flop gewesen zu sein und das nicht nur aus der Wahlkampf-Perspektive unserer Linken Liste: F.I.S.H. Diese Veranstaltung war erst wenige Tage vorher beworben und hat den AStA sowohl personell aus auch finanziell einige Kapazitäten gekostet, die (meiner Meinung nach) besser anderweitig investiert worden wären. Mit nur circa 70 Leuten, von denen einige sowieso der studentischen Selbstverwaltung angehören, einzig nach sogenannten Inputs abzustimmen, ob es am 17.01.2023 irgendwelche Proteste geben soll, ist mehr als dürftig. Man hätte das doch auch mit den bereits engagierten Studierenden im Rahmen des AStAs gemeinsam mit den Fachschaften entscheiden und weitaus mehr planen können!? Der im Artikel aufgegriffenen Wortmeldung meinerseits ging noch die rethorische Frage vorweg, ob ich den Ernst der Lage fälschlicherweise so drastisch einschätzen würde – dann wäre meinem Verständnis nach die Einberufung einer solchen Vollversammlung grundlos und ich wäre an diesem Dienstag lieber mal im Bett geblieben…