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Odyssee einer Steuererklärung – ein Erfahrungsbericht in vier Akten.

von Maya-Katharina Schulz (01.05.2024)

Die Steuererklärung – alleine das Wort erzeugt bei vielen Menschen schon unwohle Gefühle. Berechtigterweise – wie dieser Erfahrungsbericht in vier Akten zeigt.

Illustration: Margo Sibel Koneberg

Akt I: Anfang
Es ist ein warmer Frühlingstag und der Staub tanzt im Sonnenlicht, das durch mein Fenster hereinfällt. Die Vögel zwitschern und Kaffeeduft steigt mir in die Nase. Ein herrlicher Tag. Perfekt geeignet, um… sich an die Steuererklärung zu setzen! Wenn der Tag schon so herrlich ist, dann kann er schließlich durch nichts mehr verdorben werden, oder? Die leise Stimme in meinem Hinterkopf, die mich warnt und davon überzeugen will, mein Steuer-Vorhaben auf einen regnerischen Tag zu verschieben – oder noch besser: direkt auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, ignoriere ich gekonnt. Ich will das Thema jetzt einfach abhaken.

Motiviert und schwungvoll klappe ich meinen Laptop auf. Das wäre doch gelacht, wenn ich das nicht innerhalb der nächsten zwei, drei Stunden hinter mir hätte! Die Elster-Seite ist aufgerufen, meine Zertifikatsdatei für den Login hochgeladen. Das läuft doch schon mal gut. Zufrieden nehme ich einen Schluck von meinem dampfenden Kaffee. Wie gut sich das anfühlt, nicht vor seinen Problemen davonzulaufen, sondern sich ihnen mutig zu stellen. Beim Ausklappen des Drop-Down-Menüs der Steuerformulare beschleunigt sich mein Herzschlag für einen kurzen Moment. Zu viele Begriffe, die ich nicht verstehe. Doch das richtige Dokument ist schnell gefunden und mein Puls beruhigt sich wieder. Gerade nochmal gut gegangen. Daten wie Name, Adresse und so weiter können aus dem Stammdatenblatt übernommen werden. Das Leben ist schön! 

Akt II: Zweifel
Ich klicke fröhlich auf „Nächste Seite“ und auf „Weiter“ und verstehe eigentlich gar nicht, wieso ich überhaupt je gezögert habe, damit anzufangen. Das alles ist doch total leicht! Ich kann einfach sämtliche Passagen überspringen, die mich nicht betreffen. Bloß… die warnende Stimme in meinem Kopf ist wieder da… woher weiß ich, was mich betrifft, und was nicht? Bei manchen Aspekten ist das sehr leicht: Ich bin definitiv keine Forstwirtin. Warum auch immer ich danach immer wieder gefragt werde – an diesem Punkt bin ich mir doch ziemlich sicher und kann immer selbstbewusst weiterscrollen. Doch was ist mit „Umsatzsteuerfreie, nicht umsatzsteuerbare Betriebseinnahmen sowie Betriebseinnahmen, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet“? Trifft das auf mich zu? Egal wie sehr ich mich bemühe, den Satz zu lesen – es ist, als würde mein Gehirn aus bloßer Weigerung, sich damit auseinanderzusetzen, einfach den Aus-Knopf drücken. 

Etwas nervös scrolle ich weiter. Es ist, als würde ich die herannahende Katastrophe bereits spüren, jedoch meine ganze Willenskraft aufwenden, um sie mir nicht einzugestehen. Meine Augen huschen wild auf dem Bildschirm hin und her. „Vereinnahmte Umsatzsteuer sowie Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wertabgaben“ – mein linkes Augenlid beginnt leicht zu zucken. Was genau soll das heißen? Ich google, um ganz sicherzugehen, aber überzeugt bin ich nicht, als ich das Kästchen unausgefüllt lasse und weiterscrolle. 

„Vom Finanzamt erstattete und gegebenenfalls verrechnete Umsatzsteuer (Die Regelung zum 10-Tageszeitraum nach § 11 Absatz 1 Satz 2 EStG ist zu beachten).“ Ein feiner Schweißfilm bildet sich auf der Innenfläche meiner Hände. Gibt es irgendein kleines „i“, auf dem ich § 11 Absatz 1 Satz 2 EstG nachlesen kann? Ich atme tief ein – jetzt bloß nicht aufgeben – und nehme einen kräftigen Schluck von meinem mittlerweile kalten Kaffee. Ich scrolle weiter. „Veräußerung oder Entnahme von Anlagevermögen“, „Sonstige Sach-, Nutzungs- und Leistungsentnahmen“ und die „Auflösung von Rücklagen und Ausgleichsposten“ huschen nur so vorbei. Ich scrolle immer schneller. Nächste Seite. 

Akt III: Wahnsinn
Bei „sachlicher Bebauungskostenrichtbetrag und Ausbaukostenrichtbeträge für Weinbaubetriebe“ bleibe ich hängen. Weinbaubetriebe? Wieso werden hier immer wieder so explizit forstwirtschaftliche Angelegenheiten und Weinbaubetriebe hervorgehoben? Ist das irgendein geheimer Code? Vielleicht sollte ich aus Prinzip Forstwirtin oder Winzerin werden. Dann wüsste ich bei der Steuererklärung ganz sicher, welche Kästchen für mich bestimmt sind. Mir kommt das wie ein guter Deal vor und ich fange an, parallel „Weinanbaugebiete in Deutschland“ und „Wie werde ich Winzer“ zu googlen. „Die angehenden Winzer helfen nicht nur in den Weinbergen, sondern sind auch bei der Weinbereitung im Weinkeller mitbeteiligt“, erfahre ich. Wie angenehm es jetzt wäre, in einem Weinkeller zu arbeiten, Fässer zusammenzubauen (sicher gibt es einen Fachbegriff dafür, oder? Ja, gibt es, Google sagt „böttchern“) oder Weintrauben in einem großen Bottich mit den Füßen zu zerstampfen. Aber sicher ist das nur meine romantisierte Vorstellung von der Arbeit in einem Weinkeller und stammt aus dem Mittelalter. Aber das Bild von dem kühlen Weinkeller geht mir nicht mehr aus dem Kopf, während die Sonne mittlerweile ihren Zenit erreicht hat und heiß in mein stickiges Zimmer brennt. Ich scrolle weiter. Nächste Seite. 

„Sie haben die Möglichkeit, die Anlage AVEÜR als Anlagenverzeichnis zu nutzen“ – okay, aber was ist, wenn ICH DAS NICHT WILL?! – Weiter, immer weiter – „Herabsetzungsbeträge nach § 7g Absatz 2 Satz 2 EstG“ – das ist wie beim Marathonlaufen, bloß gar nicht erst ans Stehenbleiben denken, einfach weiterlaufen – „Ausgaben für eigenes Personal“, ich lache schrill auf. Mein Herz macht einen besorgniserregenden Satz in die Magengegend, als ich sehe, wie klein der Fortschritt meines Ausfüllprozesses ist: Der kleine Schieber auf der Bildlaufleiste am rechten Bildschirmrand ist erst ein lächerliches Stück weitergekommen. Ich leere den abgestandenen Kaffeerest in meinem Becher mit Schwung und spüre den Kaffeesatz auf meinen Zähnen. Alles egal. Wütend scrolle ich weiter und weiter. Nächste Seite!

Akt IV: Ende
Endlich. Ich bin bei der eigentlichen Gewinnermittlung angekommen. „Abzüglich steuerfreier Einnahmen nach § 3 EStG (ohne Nummer 26, 26a, 26b und Teileinkünfteverfahren)“ – WER SOLL DENN DAS VERSTEHEN? Wütend hämmere ich Zahlen in meine Tastatur, kopiere Angaben von links nach rechts und von oben nach unten. Hinter all dem kann doch nichts als nur ein vollkommen beabsichtigter Komplott stecken, der mit Zermürbungsstrategien arbeitet! „Zuzüglich nicht abziehbarer Betriebsausgaben nach § 3c Absatz 1 EstG“ – WAS? Genauso gut könnte mir ein Dokument auf Japanisch vorgelegt werden. Wer weiß, auf welche Summen an Rückzahlungen deutschlandweit jedes Jahr unfreiwillig verzichtet wird, weil dieser Mist einfach nicht zu verstehen ist und irgendwann jeder bereitwillig resigniert? Nächste Seite.

Keuchend und mit vor Wut bebenden Händen erreiche ich die letzte Seite. „Ihre Eingaben wurden geprüft. Es sind noch Fehler vorhanden“, spuckt mir die Seite unfreundlich entgegen. Wie gerne würde ich zurück spucken. War ja klar. Ich klappe meinen Laptop zu, nehme meine Jacke und gehe raus. Der Frühling ist zu schön. Außerdem… ein bisschen Aufschieben hat noch keinem geschadet. 


Tipp: Wenn ihr Hilfe bei eurer Steuererklärung braucht, dann können der Lohnsteuerservice der Gewerkschaften oder Lohnsteuervereine die richtige Anlaufstelle für euch sein!

English version (automated translation):

Odyssey of a Tax Return – A Four-Act Experience Report.

by Maya-Katharina Schulz (01.05.2024)

The tax return – the mere word already causes discomfort in many people. Justifiably so – as this experience report in four acts demonstrates.

illustration: Margo Sibel Koneberg

Act I: The Beginning
It’s a warm spring day and the dust dances in the sunlight streaming through my window. The birds chirp and the aroma of coffee fills my nostrils. A wonderful day. Perfect for… sitting down to do the tax return! If the day is already splendid, then surely nothing can spoil it, right? I skillfully ignore the soft voice in the back of my head warning me to postpone my tax plans to a rainy day – or even better: to never do it at all. I just want to get this over with now.

Motivated and energetic, I open my laptop. It would be laughable if I couldn’t finish this in the next two or three hours! The tax website is loaded, my login certificate file uploaded. This is going well so far. I take a satisfying sip of my steaming coffee. How good it feels to face one’s problems head-on, not running away from them. My heartbeat quickens for a moment as I unfold the drop-down menu of tax forms. Too many terms I don’t understand. But the right document is quickly found, and my pulse settles down. That was a close call. Details like name, address, and so on can be imported from the master data sheet. Life is beautiful!

Act II: Doubts
I cheerfully click „Next Page“ and „Continue“, not really understanding why I ever hesitated to start. This is all so easy! I can simply skip all the sections that don’t apply to me. But… the warning voice in my head is back… how do I know what applies to me and what doesn’t? Some aspects are easy: I am definitely not a forester. I don’t know why I keep being asked about that – at this point, I am quite confident and can confidently scroll on. But what about „VAT-exempt, non-taxable business income, and business income where the recipient owes the VAT under § 13b UStG“? Does that apply to me? No matter how hard I try to read the sentence – it’s like my brain just hits the off switch out of sheer refusal to deal with it.

A bit nervously, I scroll on. It’s as if I can already sense the approaching disaster, but I muster all my willpower to deny it. My eyes dart wildly across the screen. „Received VAT as well as VAT on non-monetary contributions“ – my left eyelid begins to twitch slightly. What exactly does that mean? I google to be sure, but I’m not convinced when I leave the box unchecked and scroll on.

„VAT refunded by the tax office and possibly offset (Consider the regulation for the 10-day period according to § 11 paragraph 1 sentence 2 EStG).“ A thin film of sweat forms on the palms of my hands. Is there a small „i“ somewhere where I can read about § 11 paragraph 1 sentence 2 EStG? I take a deep breath – just don’t give up now – and take a strong sip of my now cold coffee. I scroll on. „Disposal or withdrawal of fixed assets“, „Other non-monetary, use, and performance withdrawals“, and the „Dissolution of reserves and balancing items“ just fly by. I scroll faster and faster. Next page.

Act III: Madness
I pause at „objective construction cost guidelines and expansion cost guidelines for vineyards“. Vineyards? Why are forestry matters and vineyards specifically emphasized again and again? Is there some secret code? Maybe I should become a forester or a vintner by principle. Then I would definitely know which boxes are meant for me at tax time. That seems like a good deal to me and I start to google „wine-growing areas in Germany“ and „how to become a vintner“. „Prospective vintners not only help in the vineyards but are also involved in wine-making in the cellar,“ I learn. How nice it would be to work in a wine cellar now, assembling barrels (surely there’s a technical term for that, right? Yes, there is, Google says „coopering“) or stomping grapes in a large vat with my feet. But surely that’s just my romanticized notion of working in a cellar, probably from the Middle Ages. But the image of the cool wine cellar won’t leave my mind as the sun now reaches its zenith and burns hot into my stuffy room. I scroll on. Next page.

„You have the option to use the AVEÜR form as an asset directory“ – okay, but what if I DON’T WANT TO?! – Onward, always onward – „Reduction amounts according to § 7g paragraph 2 sentence 2 EStG“ – it’s like running a marathon, just don’t think about stopping, just keep running – „Expenditures for own staff“, I laugh shrilly. My heart leaps worryingly into my stomach as I see how little progress I’ve made in filling out the form: The small slider on the scroll bar on the right side of the screen has only moved a ridiculous bit. I toss the stale coffee remains in my cup with a flourish and feel the coffee grounds on my teeth. It doesn’t matter. Angrily, I scroll on and on. Next page!

Act IV: The End
Finally. I’ve reached the actual income calculation. „Excluding tax-free income according to § 3 EStG (excluding numbers 26, 26a, 26b, and partial income procedure)“ – WHO IS SUPPOSED TO UNDERSTAND THAT? Angrily, I hammer numbers into my keyboard, copying figures from left to right and top to bottom. Behind all this must be nothing but a deliberately intended conspiracy, working with strategies of exhaustion! „Including non-deductible business expenses according to § 3c paragraph 1 EStG“ – WHAT? It might as well be a document presented in Japanese. Who knows how much in refunds is involuntarily forgone nationwide each year because this crap is simply not understandable and eventually everyone just gives up willingly? Next page.

Gasping and with trembling hands, I reach the last page. „There are still errors in your entries,“ the page spits at me unfriendly. How I’d like to spit back. Of course. I close my laptop, grab my jacket, and go outside. Spring is too beautiful. Besides… a little procrastination never hurt anyone.


Tip: If you need help with your tax return, the wage tax service of unions or wage tax associations might be the right place to go!

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