Beats, Bässe und Barrieren
Von Louisa Albert (15.01.2025)
Als Kind war sie Scooter-Fan, heute feiert sie Gabber* und Breakbeat*. Melanie (wassamelonie) ist 23, wohnt in Darmstadt und wenn sie nicht gerade am Dieburger Campus mit ihrem Master beschäftigt ist, dann findet man sie zum Beispiel zwischen Schallplatten oder hinter ihrem DJ-Pult. Seit etwas mehr als zwei Jahren legt sie unter ihrem Künstler:innen-Name “Melone” auf verschiedenen Events in Darmstadt auf. Wir haben sie für ein Interview getroffen und mit ihr übers Auflegen an sich gesprochen, über ihren Weg zur Musik und warum es FLINTA* immer noch schwer in der DJ-Branche haben.
Foto: Ellie Haase
Wie bist du zu deiner DJ-Beschäftigung gekommen?
Mit dem DJen habe ich vor zweieinhalb Jahren angefangen, gegen Ende der Coronazeit. Mein Freund hatte sich damals einen kleinen Controller gekauft und ich wollte das dann auch mal ausprobieren. Ein paar meiner Freunde sind auch DJs und da war es dann einfach, Inputs zu bekommen und Meinungen zu sammeln, weil die auch schon teilweise etwas älter und schon länger im Business drin sind. Aber das sind halt auch alles männlich gelesene Personen.
Was begeistert dich am DJen?
Ich finde es einfach nice, mit der Musik rumzuspielen und sich auch im Vorfeld Gedanken zu machen, was man den Leuten zeigen möchte. Am liebsten lege ich Gabber auf und weil die meisten das nicht so viel hören, ist es immer eine Herausforderung, sich dann auf die Crowd einzustellen. Ich finde aber auch andere Genres richtig geil, zum Beispiel Breakbeat oder Drum’n’Bass.
Woher kommt Gabber und was gefällt dir daran?
Das hat so in den frühen Neunzigern in den Niederlanden angefangen und viele Abzweigungen entwickelt, wie zum Beispiel Happy Hardcore. Das ist, wie der Name sagt, mit Euphorie verbunden. Das gefällt mir immer, weil ich es nicht so cool finde, wenn Techno so dunkel und eintönig ist. Klar, manchmal passt auch genau das, aber vor allem zum Reinkommen bei einer Party will man halt erstmal Spaß haben.
Ist Gabber dann auch das, was du privat an Musik hörst? Oder hast du da einen anderen Geschmack?
Nee, das höre ich auch privat, aber ich höre generell sehr viele verschiedene Sachen. Das siehst du ja auch am neunundneunzig-Poster (lacht und zeigt auf das Poster, das über ihren Plattenspielern hängt). Sowas und auch viel Rock aus den Neunzigern. Außerdem höre ich noch immer sehr gerne Country.
„Mein Vater kommt aus Texas und ich bin sozusagen damit aufgewachsen.“
Aus den elektronischen Genres mag ich wie schon gesagt Gabber, die ganzen Subgenres und allgemein eher die early Sachen aus den Neunzigern: Early Hardcore oder Early Terror.
Foto: Ellie Haase
Kannst du dich noch daran erinnern, wann dein erster Berührungspunkt mit elektronischer Musik war?
Ja, das war schon in der Kindheit. Mein Vater hatte ganz viele Future-Trance-CDs und auch viele von Scooter.
„Als Kind war ich voll der Scooter Fan.“
Wie ist das heute – hast du DJ-Vorbilder?
Ja, auf jeden Fall. KI/KI zum Beispiel, die kommt aus den Niederlanden und macht auch Techno, aber mit sehr viel Acid-Influence*. Und Dr. Rubinstein. Sie kommt aus Frankreich und legt hauptsächlich auf Platte auf, auch sehr viel Acid House oder Acid Techno.
Wenn es um weibliche DJs geht, fällt oft das Wort DJane. Ist das die passende Bezeichnung?
Nachdem, was ich so mitbekommen habe, ist DJane als Begriff eher negativ konnotiert. Viele denken immer noch, dass DJane das weibliche Äquivalent zu DJ ist. Dabei ist DJ eine Abkürzung für Discjockey und das ist geschlechtsneutral.
Kannst du dich an deinen ersten öffentlichen Auftritt erinnern? Wie war das für dich?
Das war 2023, bei einem Event in der Kunsthalle in Darmstadt. Ein guter Freund hat zu dem Zeitpunkt dort gearbeitet und mich gefragt, ob ich nicht auflegen möchte. Im Endeffekt war es sehr unspektakulär, weil ich im zweiten Stock aufgelegt habe und die Menschen da nur ab und zu hoch gekommen sind. Dafür waren aber viele meiner Freunde da, um mich zu supporten und so war es eigentlich ganz chillig, weil ich einfach mein Ding in meiner Ecke machen konnte (lacht).
Hat sich seitdem deine Einstellung zu Auftritten geändert?
Nicht wirklich. Eine gewisse Nervosität ist immer dabei. Man möchte ja, dass die Menschen Bock haben auf das, was man macht.
„Das macht einen dann auch glücklich, wenn die Leute das fühlen. „
Du legst mittlerweile auch mit Platte auf. Wie unterscheidet sich das vom Auflegen ohne Platte?
Ja genau, ich lerne das gerade noch. Das ist ein riesengroßer Unterschied, weil du nichts außer der Platte siehst. Das heißt, du weißt auch nicht, welche BPM-Zahl (beats per minute) der Track hat. Mit der Zeit entwickelt man dafür ein Gehör, aber davon bin ich noch ein bisschen entfernt. Generell ist es einfach etwas ganz anderes, die Musik in den Händen zu halten.
Foto: Ellie Haase
Was sind deiner Erfahrung nach die größten Schwierigkeiten, wenn es ums DJen geht?
Ich glaube, dass sich viele nicht ganz trauen, all in zu gehen und Meinungen von anderen Leuten nicht so an sich ran zu lassen. Ich glaube, da gehöre ich auch noch dazu, vor allem als Frau. Man traut sich einfach nicht, obwohl es ja eigentlich keinen Grund dafür gibt.
Gerade im künstlerischen Bereich kann schnell der Eindruck entstehen, dass sich gerade Männer besonders schnell gegenseitig supporten, in Kollektiven zusammenfinden und dadurch schnell Möglichkeiten entstehen, sich auszuprobieren. Wie nimmst du das in Bezug auf FLINTA* wahr?
Ja, das ist mir auch aufgefallen. Zwar sieht man in den Großstädten, dass vereinzelt auch öfter mal FLINTA* in den Kollektiven vorkommen. Aber vor allem in der Hardcore-Szene ist es ganz krass. Da sind es vielleicht 99 Prozent Männer.
Was bräuchte es, damit zum Beispiel Kollektive auch für FLINTA* zugänglicher werden?
Es gibt wahrscheinlich solche und solche,
„aber generell könnten viele Kollektive einfach ein bisschen offener sein. „
Oder sich selbst einfach mal reflektieren, um dann vielleicht zu merken: Ey, wir sind ja nur Jungs.
Wenn ich gerne mit dem DJen anfangen würde, was würdest du mir für Tipps geben?
Ich würde dir erstmal empfehlen, ein YouTube-Tutorial anzugucken. Da kann man dann zum Beispiel lernen, für was welcher Knopf und welcher Regler ist. Und es hilft natürlich, ganz viel Musik und viele Sets zu hören und darauf zu achten, was dir auffällt, um das zu verinnerlichen. Online Communities wie Reddit sind manchmal ein bisschen toxisch, aber da gibt’s auch schon hilfreiche Personen, die sich da rumtreiben. Da kannst du dann auch nachfragen, wenn du dir unsicher bei irgendetwas bist.
Alles klar! Danke für deine Zeit 🙂
*Gabber, Breakbeat und Acid sind alles Unterformen der elektronischen Techno-Musik. Während zum Beispiel Gabber für seine verzerrten, harten und ein bisschen chaotischen Klänge und Samples bekannt ist, hat auch Acid eigene Merkmale wie seinen oft kreischenden, schmatzenden Sound, der die Assoziation zu Acid (englisch für “Säure”) weckt.
FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen. Das Sternchen am Ende soll zusätzlich weitere Variationen der Geschlechtervielfalt einbeziehen.
English version (automated translation:)
Beats, bass and barriers
By Louisa Albert (15.01.2025)
As a child, she was a fan of Scooter; today, she celebrates Gabber* and Breakbeat*. Melanie (Wassamelonie), 23, lives in Darmstadt. When she’s not busy with her master’s studies at the Dieburg campus, you can find her among vinyl records or behind her DJ booth. For just over two years, she’s been performing under her artist name, “Melone,” at various events in Darmstadt. We sat down with her for an interview to talk about DJing, her journey into music, and why FLINTA* individuals still face challenges in the DJ industry.
Foto: Ellie Haase
How did you get into DJing?
I started DJing two and a half years ago, toward the end of the COVID period. My boyfriend had bought a small controller back then, and I wanted to try it out. Some of my friends are also DJs, so it was easy to get input and gather opinions since some of them are older and have been in the business for a while. But all of them are male.
What excites you about DJing?
I love playing around with music and planning ahead about what I want to showcase to people. My favorite genre to spin is Gabber, and since most people don’t listen to it much, it’s always a challenge to adapt to the crowd. But I also really enjoy other genres like Breakbeat or Drum’n’Bass.
Where does Gabber originate, and what do you like about it?
It started in the early ’90s in the Netherlands and has developed many subgenres, like Happy Hardcore. As the name suggests, it’s associated with euphoria, and I love that because I don’t find it as cool when techno is too dark and monotonous. Sure, sometimes that fits, but especially at the start of a party, you want to have fun.
Is Gabber also what you listen to privately, or do you have a different taste in music?
No, I also listen to Gabber privately, but I listen to a lot of different things in general. You can see that on the “99” poster over there (she laughs and points to a poster above her turntables). Stuff like that, and a lot of ’90s rock. I also still really enjoy country music.
„My dad is from Texas, so I basically grew up with it.“
From electronic genres, I like Gabber, its subgenres, and generally the early ’90s stuff like Early Hardcore or Early Terror.
Foto: Ellie Haase
Can you recall your first encounter with electronic music?
Yes, it was during my childhood. My dad had a lot of Future Trance CDs and a bunch of Scooter albums.
„As a kid, I was a huge Scooter fan.“
Do you have any DJ role models today?
Definitely. KI/KI, for example. She’s from the Netherlands and does techno with a lot of acid influence*. Also, Dr. Rubinstein. She’s from France and primarily DJs on vinyl, with a lot of Acid House or Acid Techno.
When it comes to female DJs, the term “DJane” often comes up. Is that appropriate?
From what I’ve observed, the term DJane tends to have negative connotations. Many still think DJane is the female equivalent of DJ, but DJ stands for “disc jockey,” which is gender-neutral.
Do you remember your first public gig? How was it for you?
That was in 2023 at an event in the Kunsthalle in Darmstadt. A good friend worked there at the time and asked if I wanted to perform. In the end, it was pretty uneventful because I was playing on the second floor, and people only came upstairs occasionally. But a lot of my friends were there to support me, so it was pretty chill—I just did my thing in my corner (she laughs).
Has your attitude toward performing changed since then?
Not really. A certain level of nervousness is always there.
„You want people to enjoy what you’re doing, and it makes you happy when they feel it.“
You’ve also started DJing with vinyl. How does that differ from DJing without it?
Yes, I’m still learning. It’s a huge difference because you don’t see anything except the record. This means you don’t even know the BPM (beats per minute) of the track. Over time, you develop an ear for it, but I’m still a bit far from that. Overall, it’s just something entirely different to physically hold the music in your hands.
Foto: Ellie Haase
In your experience, what are the biggest challenges in DJing?
I think many people hesitate to go all in and don’t let others’ opinions affect them too much. I think I’m still part of that group, especially as a woman. You just don’t feel as confident, even though there’s no real reason for it.
In creative fields, it often seems like men are quicker to support each other, form collectives, and create opportunities. How do you perceive this in relation to FLINTA*?
Yes, I’ve noticed that too. You do see that in big cities, there are occasionally more FLINTA* individuals in collectives. But especially in the hardcore scene, it’s really extreme. It’s like 99 percent men.
What would it take to make collectives more accessible to FLINTA*?
There are probably all kinds of situations,
„but in general, many collectives could be a bit more open.“
Or they could reflect on themselves and maybe realize, “Hey, we’re all just guys.”
If I wanted to start DJing, what tips would you give me?
I’d recommend watching a YouTube tutorial first. You can learn what each button and knob does. It also helps to listen to a lot of music and sets and pay attention to what stands out to you so you can internalize it. Online communities like Reddit can be a bit toxic sometimes, but there are also helpful people there. You can ask them if you’re unsure about something.
Got it! Thanks for your time 🙂
*Gabber, Breakbeat, and Acid are subgenres of electronic techno music. Gabber, for instance, is known for its distorted, hard, and somewhat chaotic sounds and samples, while Acid features a distinct screeching, squelching sound, evoking the association with acid.
FLINTA* stands for women, lesbians, intersex, non-binary, trans, and agender individuals, with the asterisk including additional forms of gender diversity.
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