Das Leben unter der spanischen Sonne

– ein absolut ehrlicher Bericht meines
Auslandssemesters in Granada

von Sophia Hoffmann (11.Sep.2025)

„Qué calor!“ ruft unsere Vermieterin zur Begrüßung, als sie in unsere WG kommt, um potenziellen Nachmieter*innen unsere Wohnung zu zeigen. Sie hat Recht, es ist Mitte Juni im Süden von Spanien und da wir keine Klimaanlage in der Wohnung haben, ist es drinnen kaum kühler als draußen.

Verrückt, wie schnell die Zeit vergeht. Vor knapp drei Monaten hat es noch Tage lang geregnet, nicht nur zur Verwunderung von uns Erasmus Studierenden, sondern auch der Einheimischen. So viel hat es in Andalusien zu der Jahreszeit noch nie geregnet. Und jetzt, im Juni, ist es für mich unvorstellbar, dass ich zu der Zeit noch mit Daunenjacke, Schal und Mütze vor die Tür gegangen bin. Bis zu 37 Grad täglich machen die Siesta jetzt zu einem essenziellen Tagesprogrammpunkt, da es zwischen 14 und 17 Uhr draußen kaum auszuhalten ist.

Die Hitze hatte ich vor meinem Erasmus in Granada auf jeden Fall unterschätzt, wie so einiges andere…

Edit: Margo Sibel Koneberg

Als ich anfing, einen Spanischkurs an der Hochschule zu besuchen, kam mir der Gedanke, dass ich gerne mal für ein Semester in Spanien studieren würde. Fast drei Jahre später ist aus dem Gedanken ein Plan geworden: Im Sommersemester 2025 an der Universidad de Granada studieren. Und dann ging alles total schnell. Mit einem großen Koffer im Schlepptau landete ich am 10. Februar in Málaga und lernte ein paar Stunden später in Granada meine Mitbewohnerinnen kennen, die mir unsere Wohnung zeigten.

Die Wohnung hatte ich auf Empfehlung meines spanischen Sprachtandem-Partners Carlos über Facebook gefunden (ja, ich fand es am Anfang auch echt sketchy) und meine Mitbewohnerinnen anschließend über die Whatsapp-Gruppe des Erasmus Student Networks (ESN) in Granada. In die Gruppe bin ich nur gekommen, weil ich über die Instagram Story einer Bekannten, mit der ich mal mit 13 im Tenniscamp war, gesehen habe, dass sie vor mir ihr Erasmus in Granada gemacht hat. Ich fragte sie nach Tipps zur Wohnungssuche und sie fügte mich zur Gruppe hinzu. Super random, ich weiß. Dass ich mir meine Mitbewohnerinnen so selbst aussuchen konnte, war ein echter Glücksfall, da man in Spanien üblicherweise immer nur mit den Vermieter:innen Kontakt hat, ohne zu wissen, mit wem man überhaupt zusammenziehen wird.

Die Wohnung war leider eher das Gegenteil. Obwohl die zentrale Lage unschlagbar war, machte sich die Fußgängerzone direkt vor unserer Haustür Tag und Nacht bemerkbar, da die einfach-verglasten Fenster wirklich null Lärm abschirmten. Die ersten Nächte habe ich kaum geschlafen, danach bin ich zu drei verschiedenen Apotheken gerannt, um verschiedene Ohrstöpsel auszuprobieren, bis sich mein Körper irgendwie ein bisschen an die Geräuschkulisse gewöhnt hat. Und das Schlimmste kam erst noch: Ein paar Wochen, nachdem wir eingezogen waren, wurde mit der Komplettsanierung der Wohnung unter uns begonnen. Das bedeutete, dass an zufälligen Tagen in der Woche Bauarbeiter:innen ab 7 Uhr anfingen, die Wände unter uns mit Bohrern zu bearbeiten, sodass es sich im Halbschlaf so anfühlte, als würde das Haus unter einem abgerissen werden.

Dazu kamen die gängigen Startschwierigkeiten eines Erasmus Semesters: Der große Struggle um die Kurswahl, der Kampf mit dem Learning Agreement (zwei verpeilte Institutionen zu koordinieren sollte eine Auszeichnung verdienen) und die ständig leere Social Battery nach der Welcome Week (ich sag nur Speedfriending) machen einem echt zu schaffen. Und es sind einfach die alltäglichen Dinge wie mit den Öffis fahren, sich zurechtfinden, mit Menschen kommunizieren und einkaufen, die direkt herausfordernder sind als zuhause. Um meine anfänglichen Struggles noch zu toppen, wurde ich auch noch krank. Und nicht nur eine-Woche-Schnupfen-krank, sondern einfach vier Wochen lang. Ich habe so viel Uni und so viele soziale Aktivitäten verpasst, durfte dafür aber meine wenigen Spanisch-Skills beim Arzt testen. Obwohl ich eigentlich total ready für alle neuen Menschen und Dinge war, waren die ersten Wochen echt herausfordernd für mich. Über Ostern war ich eine Woche in Deutschland, weil ich das Gefühl hatte, ich brauche eine kurze Pause. Und das hat echt geholfen, weil es mir mehr das große Ganze gezeigt hat und wieso ich mich überhaupt für ein Erasmus entschieden habe. Aber auf diesen Reality Check war ich einfach nicht vorbereitet gewesen.

Als ich zurückkam, wurde alles allmählich leichter. Die Uni pendelte sich ein, mein Spanisch wurde besser, es wurde wärmer und Freundschaften wurden enger. Die Struggles verschwanden nicht, aber ich lernte, besser mit ihnen umzugehen. Mir ist klar geworden, dass ich nicht an allen Veranstaltungen teilnehmen muss (FOMO ist real), nicht mit jedem gut sein muss, den ich kennenlerne, mich nicht rauszwingen muss, wenn ich eigentlich keine Energie habe und es auch gar nicht schlimm ist, mal was alleine zu machen, wenn man eine Pause braucht. Ich war mit zwei Freunden über ein Wochenende in Madrid, machte kleine Trips an den Strand oder den nahegelegenen Fluss, ging auf Dinner Abende, wo jede:r etwas Selbstgemachtes mitgebracht hat. Und dann wurde es irgendwann heiß. Richtig heiß. Kalte Duschen, Getränke mit hohem Elektrolyte-Gehalt, Rolladen-runter und Siesta wurden essenziell. Mein Spanischlehrer scherzte, dass der andalusische Akzent dadurch entstand, dass die Andalusier:innen aus Energiespar-Gründen wegen der Hitze Wörter verkürzen. Aus „muchas gracias“ wird „mucha gracia“ und aus „hasta luego“ irgendwas das klingt wie „a luego“.

Aber zurück in unsere Wohnung, wo unsere Vermieterin jetzt zwei Jungs begrüßt, die beide wahrscheinlich gerade erst 18 sind. „Wenn die wüssten, worauf sie sich hier einlassen“, denke ich mir. In ein paar Wochen sind wir eh hier raus. Und ja, ich hatte zwischenzeitlich auch daran gedacht, die Wohnung nochmal zu wechseln, vor allem wegen der Lautstärke. Aber es war nie eine Option für mich, weil mir meine Mitbewohnerinnen so ans Herz gewachsen sind und mich durch alle Ups and Downs unterstützt haben. Und im Endeffekt hat es mir gezeigt, dass ich in der Lage bin, aus schwierigen Situationen trotzdem das Beste zu machen.

Im Erasmus lernt man, sich anzupassen und an Herausforderungen zu wachsen. Das lässt einen auch besser wertschätzen, was man zuhause hat. Und man lernt sich selbst besser kennen. Zumindest kann ich das für mich sagen. Ich bin auf jeden Fall unglaublich dankbar für diese, wenn auch durchwachsene, Zeit. Ich finde, Erasmus wird allgemein ein bisschen zu sehr romantisiert, weil das „normale“ Leben und die Struggles, die man auch so hat halt einfach nicht aufhören. Aber wenn man zurückkommt und nostalgisch darauf zurückschaut, tendiert man oft dazu, die negativen Dinge zu vergessen. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso das Ganze oft so romantisiert wird. Und obwohl für mich negative Dinge aus der Zeit jetzt im Hintergrund stehen und mir die ganze Erfahrung so surreal vorkommt, merke ich an mir selbst, dass ich mich dadurch verändert habe. Dass ich daran gewachsen bin. Und das ist ganz viel wert.