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Hauptsache im Trend sein: Gen Z shoppt unseren Planeten kaputt

von Sarah Grund

Wir leben in einer Zeit, in der das Bewusstsein für nachhaltige Mode immer weiter wächst. Gleichzeitig erzielt der Ultra-Fast-Fashion-Shop “Shein” laut Forbes 2020 einen Umsatz von 10 Milliarden US-Dollar und landet in Deutschland unter den Top-5-Onlineshops. Wie kann das zusammenpassen? Ganz einfach: Es passt nicht zusammen. Entspricht aber trotzdem der Realität.

Klamotten im Sale ab 1,99€, 50% Rabatt zu Karneval, bis zu 70% an Valentinstag. Jeans für acht Euro, Unterwäsche für 2,67€. Jeden Tag tausende neue Produkte. Besonders bei Jugendlichen und jungen Frauen ist der Online-Shop, der hauptsächlich auf Werbung in den sozialen Netzwerken setzt, beliebt. Die Schattenseiten dieses Geschäfts scheinen niemanden zu interessieren oder zumindest irrelevanter zu sein als das Bestreben, modisch gekleidet zu sein. Peinlich.

Überall in den sozialen Medien kursieren Videos, sogenannte “Hauls”, in denen hauptsächlich junge Frauen ihre neueste Shein-Bestellung präsentieren. Der Hashtag “#Sheinhaul” hat auf Tiktok inzwischen 4,4 Milliarden Aufrufe. In den Videos geht es vor allem darum, so viele und so trendige Kleidungsstücke zu ergattern, wie nur irgendwie möglich. Wenn das Oberteil nach ein oder zweimal Tragen nicht mehr gefällt oder nicht mehr im Trend ist – auch nicht schlimm. Es hat ja ohnehin nur wenige Euro gekostet. Besonders bei Jugendlichen, die nur das eigene Taschengeld beim Kleiderkauf zur Verfügung haben und die besonders “anfällig” sind für Werbung auf Instagram, TikTok und co, schlagen die Marketingstrategien des Moderiesen an. Ausgerechnet bei der Zielgruppe, bei der wohl das geringste Bewusstsein für Qualität, Nachhaltigkeit und Fair Fashion besteht. Anders könnte es aber auch nicht sein – wer sich Gedanken über auch nur eines dieser Themen macht, wird es wohl kaum über’s Herz bringen, bei Shein zu bestellen.

“Fast Fashion zerstört Umwelt”, “«Fashion-Sklaverei»: Die Wahrheit hinter dem schönen Schein von «SHEIN»”, “Gefährliche Verführung für Teenager”, “Open Letter: Dear Gen-Z, Shein Is Using You” – nur ein paar der Schlagzeilen über Shein, erschienen allein in den letzten Tagen und Wochen. Diese Aufzählung ließe sich problemlos noch lange weiterführen, das Ergebnis jedoch bleibt unverändert: “Shein” ist schlecht für unseren Planeten. Aber mit einer ansprechenden Website, Rabatt-Aktionen und Klamotten, die jedem Trend entsprechen, lässt “Shein” seine Kundschaft mühelos darüber hinwegsehen.

Illustration: Karoline Hummel

Wie ist es überhaupt möglich, täglich mehrere tausend neue Designs auf der Website zu launchen? Wie viele Designer müssen für die Marke arbeiten, um das zu ermöglichen? Und wie will “Shein” all diese Designer fair entlohnen, wenn die Jeans 8 Euro und das Shirt nur 4 Euro kostet? All das wirft völlig zurecht Fragen auf. Während gleichzeitig Vorwürfe laut werden.

Einer davon: Shein klaut Designs. Unzählige Male wurde dem Fast-Fashion-Konzern bereits vorgeworfen, die Designs kleinerer Künstler zu stehlen. Darüber hinaus stehen die Arbeitsbedingungen bei Shein häufig in der Kritik. Die Produktionsstätten des Unternehmens befinden sich in China, die genauen Produktionsketten und Arbeitsverhältnisse sind unklar. Fakt ist: Wer Kleidung zu solchen Preisen verkauft, kann seine Mitarbeiter nicht fair entlohnen. Vorwürfe wegen schlechter Bezahlung, fehlender Arbeitsverträge und prekärer Bedingungen stehen im Raum und wir sollten sie nicht weiter ignorieren. Nicht, um ein trendiges Shirt für ein paar Euro zu ergattern, das uns im nächsten Monat vielleicht schon gar nicht mehr gefällt. Nicht, um unseren Followern auf Instagram bloß nicht zweimal das gleiche Outfit zeigen zu müssen.

Die Probleme, die unser Konsum mit sich bringt, scheinen endlos. Wir zerstören unseren Planeten mit rasanter Geschwindigkeit und wenn wir vor der Wahl stehen, ob wir nun der Umwelt etwas “Gutes” tun oder lieber gut aussehen wollen, entscheiden wir uns für letzteres. Vielleicht auch, weil die negativen Effekte unseres Kaufverhaltens für uns kaum greifbar sind. Wir wissen zwar, was wir unserer Umwelt damit langfristig antun aber in dem Moment, in dem unsere 200-Euro-Shein-Bestellung an unserer Haustür eintrudelt, geraten all diese Zukunftssorgen und “Irgendwann’s” in den Hintergrund.

Welch ein Armutszeugnis es eigentlich ist, dass gesellschaftliche Konstrukte wie Modetrends, die uns auf einem wenige Zentimeter großen Handydisplay nähergebracht werden, uns besser erreichen als die Faktenlagen zum Klimawandel oder Umweltkatastrophen. Dass wir nachts wach liegen, weil wir daran verzweifeln, anderen Menschen gefallen zu wollen, während die Erderwärmung uns völlig kalt lässt.

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