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Warum Witze schreiben ein krasses Handwerk ist

von Lucie Kammer und Emilie Bitsch (04.09.2024)

Die 26-jährige Marie Lina Smyrek ist TikTok-Creatorin und Comedy-Autorin. Dem Bachelor in Kunstwissenschaft in Braunschweig folgte 2022 der Master in Medienwissenschaft an der Universität Hamburg. Seit Herbst 2021 betreibt sie mit “smypathisch” einen politisch-humoristischen TikTok-Kanal, ein halbes Jahr später wird sie ein Teil von funk. Außerdem ist sie Autorin und schreibt als Ensemblemitglied für die “Carolin Kebekus Show”. 2023 erhielt sie für ihre Arbeit den Grimme-Preis (deutscher Fernsehpreis) in der Kategorie Jugend.

Ach_dasta-Autorinnen Lucie und Emilie haben mit Marie gesprochen: Warum ein guter Witz manchmal mehr bewegt als eine trockene Schlagzeile, warum sie sich selbst nicht ernst nimmt und wie sie ihre Sucht in den Alltag integriert. 

Illustration: Margo Sibel Koneberg

Marie Lina Smyrek, wie startest du den Tag?
Ich bin immer relativ früh wach. Das ist ganz gut, weil ich dann genug Zeit habe, um zu gucken, was ich auf den Netzwerken verpasst habe. Ich schaue mir die Tagesschau an und habe immer viel Zeit, um mich reinzulesen und zu beobachten, was heute und gestern passiert ist. Die Zeit mag ich immer ganz gerne.

Wie genau verarbeitest du diese Informationen?
Ich notiere mir über die Woche eine Sammlung an Themen und Dingen, die wichtig sein könnten, da der Wochenrückblick einmal in der Woche kommt. Da gucke ich, was wichtig ist oder was möglicherweise noch wichtig werden könnte und schreibe mir meine Gedanken dazu auf. Meistens notiere ich mir auch einen Witz.

Dein Masterstudium hast du in Medienwissenschaften abgeschlossen. Wann wusstest du, in welche Richtung du gehen willst?
Ich war für den Master in Hamburg, vorher habe ich Kunstwissenschaften studiert. Da wusste ich noch nicht, wohin mit mir, aber ich wusste, dass Medien mich interessieren. Ich habe natürlich gehofft, dass ich irgendwie in diese Comedy-Autorinnen-Bubble reinkomme. Der sinnvollste Weg dahin wäre, dass ich erstmal Journalismus mache und gucke, wo ich Erfahrungen in der Comedy-Branche sammeln kann. Letztlich kam es dann doch ganz anders.

Wann hast du das erste Mal Humor in deine journalistische Arbeit integriert?
Es gab keine journalistische Arbeit, bevor es humoristische Arbeit gab. 2021 habe ich den Account gegründet. Da war es nur Comedy und nicht journalistisch. Bei der Zusammenarbeit mit funk kam die Frage, was ich gerne machen würde. Für mich war immer klar, dass ich gerne was Politisches oder Journalistisches machen möchte. Daraufhin habe ich diese Wochenrückblicke entwickelt und erst dann habe ich journalistisch gearbeitet. Das heißt, es gab erst Comedy und dann beides zusammen.

Auf ihrem TikTok-Kanal smypathisch bringt Marie mit einem scharfen aber ironischen Blick die Schlagzeilen der Woche humorvoll rüber. Ihr Markenzeichen: Ein schwarzer Hintergrund, Augen und Mund. Rund 353.000 Zuschauer:innen verfolgen sie wöchentlich.


Wie kamst du auf die Idee, den Filter mit Augen und Mund zu deinem Markenzeichen zu machen? 
In den ersten Videos mit smypathisch habe ich Werbeslogans und Gartenkräuter kommentiert. Dafür brauchte ich einen schwarzen Hintergrund, worauf ich diese Notizen machen konnte. Da gibt es bei Tiktok nicht so viele Filter zur Auswahl. Ich habe mich für den entschieden und dann kam ich davon nicht mehr weg. Irgendwie auch dumm.

Also würdest du es heute anders machen?
Es funktioniert irgendwie schon ganz gut. Ich kann jetzt nicht sagen „Ich möchte mit diesem Filter nichts mehr zu tun haben.” Das ginge nicht. Aber ich denke, es war die richtige Entscheidung, weil es sehr charakteristisch ist und man direkt weiß: “Ach, die mit dem Filter.”

Wie wichtig ist Humor deiner Meinung nach in der Berichterstattung allgemein?
Es erleichtert den Zugang für Leute, die ein nicht so großes Interesse an politischen Themen haben. Da kann so ein Witz viel öffnen. Zum Beispiel für ein Themengebiet, das einem nicht so interessant vorkam, weil es sonst sehr trocken vorgetragen wird. Um meine Arbeit überhaupt machen zu können, ist es für mich super wichtig, ernsthafte journalistische Inhalte zu haben. Ohne die Arbeit vom Spiegel, der Tagesschau, FAZ oder der Zeit könnte ich meine Videos nicht machen. Beides hat seine Berechtigung und eine ganz andere Wirkung auf die Leute.

Inwiefern beeinflusst dich Humor und Journalismus im Alltag? Kann das auch zu viel werden?
Der Wochenrückblick ist aus diesem Drang entstanden, die ganze Zeit mitzukriegen, was aktuell passiert. Man kann sagen, ich habe meine Sucht zum Beruf gemacht. Früher habe ich auf Twitter rumgehangen und habe geschaut, worüber gestritten wird. Deswegen ist das keine Last, sonst wäre ich sehr geschädigt davon.

Wo ist deine Humor-Grenze, wenn es um schwierige Themen geht?
Es gibt auf jeden Fall einige Themen, bei denen Witze nicht angebracht sind. Da vertraue ich schon immer auf mein Bauchgefühl. Über Menschenrechtsverletzungen braucht man nicht sprechen. Das ist kein Thema, worüber man Witze machen kann. Dann lasse ich das Thema raus und überlasse es den Leuten, die sich damit sehr intensiv auseinandersetzen. 

Ist es dir wichtig, dass jemand über deinen Content schaut, bevor er im Netz landet?
Ja, voll. Es war am Anfang so, dass ich bei jedem Video Angst hatte, dass sich plötzlich ein Fehler eingeschlichen hat. Jetzt schauen immer zwei Leute aus der funk-Redaktion nochmal über das Video. Das heißt, wenn ich mal einen Fehler übersehe, dann wird das im Skript kommentiert. Dabei gibt es gar nicht so viele Fakten in den Videos. Es ist viel drumherum erzählt. Die Punkte, die wirklich belegt werden müssen, sind immer belegt.

Glaubst du, dass der Einsatz von Humor deine Glaubwürdigkeit als Journalistin beeinträchtigen kann?
Ich habe mich noch nie ernst genommen, seitdem ich diesen Filter habe. Ich werde manchmal als ernsthafte Journalistin gesehen, aber das bin ich letztlich nicht. Das freut mich natürlich immer, wenn ich da eingeordnet werde, aber ich gucke eigentlich schon sehr gezielt, was lustig an der Nachricht ist und nicht auf die Nachricht an sich. Meine Glaubwürdigkeit als Journalistin ist mir da nicht das Wichtigste.

Um auf deinen Arbeitsprozess zurückzukommen: Wie entstehen deine Ideen?
Ich habe langsam das Gefühl, dass es routiniert ist. Witze schreiben ist einfach ein krasses Handwerk, das hätte ich damals auch nicht gedacht. Ich dachte, man kriegt eine Eingebung, aber so ist es nicht.

Dieses Handwerk hast du dir mit der Zeit angeeignet oder konntest du das schon?
Ich habe immer mal auf Twitter One-Liner geschrieben, da damals schon das Ziel war, es irgendwann beruflich zu machen. Es gibt ein paar Comedy-Writing-Bücher, die ich mir reingefahren habe. Die helfen am Ende aber auch nicht wirklich. Am meisten bringt es, sich anzugucken, was andere machen. Nicht um das zu kopieren, sondern um seine eigene Farbe dazu einzubauen. Aber letztlich ist es viel aus dem Charakter. Smypathisch hat einen sehr starren Blick, sehr zynisch, ironisch. Da kommen die Witze einfach aus dieser Person heraus. 

One-Liner ist ein Witz oder eine lustige Äußerung, die in einem Satz erzählt wird. Vor allem bei Comedy-Programmen oder auf X (ehemals Twitter) wird diese Form genutzt.


Vergangenes Jahr hast du den Grimme-Preis in der Kategorie Jugend abgeräumt. Wie wichtig ist die Anerkennung für dich und für die junge Generation?
Diese Auszeichnung zeigt, dass nicht nur die jungen Leute gesehen werden, sondern auch die Netzwerke, auf denen sie sich rumtreiben. Und dass akzeptiert wird, dass wir Wege und Mittel suchen, um auf anderen Plattformen ähnliche Inhalte wie im Fernsehen zu schauen. Deswegen war das eine krasse Würdigung. Ich bin in erster Linie überrascht gewesen, weil die junge Generation oft nicht viel Lob bekommt.

Was wäre das Größte für dich? Oder ist dein Kindheitstraum schon erreicht?
Ich hätte es mir niemals ausgemalt, dass ich einen Grimme-Preis kriege, sonst wäre das einer der Träume gewesen. Aber ab diesem Zeitpunkt war ich so: „Ok, jetzt kann alles passieren.” Ein richtiges Ziel habe ich nicht. Ich würde einfach die Zeit nutzen, um möglichst viele lustige Sachen zu machen. Man weiß nie, was auf einen zukommt. Nichts von dem, was jetzt eingetreten ist, habe ich jemals geplant. Das ist irre.

English version (automated translation):

Why Writing Jokes is an Impressive Craft

by Lucie Kammer and Emilie Bitsch (04.09.2024)

Marie Lina Smyrek, a 26-year-old TikTok creator and comedy writer, studied Art History in Braunschweig before earning a Master’s in Media Studies at the University of Hamburg in 2022. Since fall 2021, she has been running the politically humorous TikTok channel “smypathisch” and joined funk six months later. She is also a writer and part of the ensemble for the “Carolin Kebekus Show.” In 2023, she won the Grimme Prize (a German TV award) in the Youth category for her work.

Ach_dasta authors Lucie and Emilie spoke with Marie about why a good joke can sometimes move people more than a dry headline, why she doesn’t take herself seriously, and how she integrates her “addiction” into her daily routine.

illustration: Margo Sibel Koneberg

Marie Lina Smyrek, how do you start your day?
I’m usually up quite early. It’s great because it gives me enough time to catch up on what I’ve missed on social media. I watch the news and take plenty of time to read and observe what happened today and yesterday. I really enjoy that time.

How exactly do you process this information?
Throughout the week, I make a collection of topics and things that could be important since the weekly recap is published once a week. I look at what’s important or what could become important and jot down my thoughts. I usually also note a joke.

You completed your Master’s degree in Media Studies. When did you know which direction you wanted to go?
I was in Hamburg for my Master’s after studying Art History. I didn’t know exactly where I was headed, but I knew I was interested in media. I hoped to somehow break into the comedy writing bubble. The most sensible path seemed to be to start with journalism and see where I could gain experience in the comedy industry. But things turned out quite differently.

When did you first integrate humor into your journalistic work?
There wasn’t any journalistic work before the humorous work. I started the account in 2021, and it was purely comedy, not journalistic. When I started working with funk, they asked what I wanted to do. It was always clear to me that I wanted to do something political or journalistic. That’s when I developed the weekly recaps and started doing journalistic work. So, comedy came first, and then both together.

On her TikTok channel smypathisch Marie humorously presents the week’s headlines with a sharp but ironic perspective. Her trademark: a black background, eyes, and mouth. About 353,000 viewers follow her weekly.

How did you come up with the idea to make the filter with eyes and mouth your trademark?
In the first videos of “smypathisch,” I was commenting on ad slogans and garden herbs. I needed a black background to make these notes, and there weren’t many filters on TikTok that worked for that. I chose one and then couldn’t let it go. It’s kind of dumb in a way.

Would you do it differently today?
It works pretty well. I can’t say, “I want nothing to do with this filter anymore.” That wouldn’t work. But I think it was the right decision because it’s very characteristic, and people instantly know: “Oh, it’s the one with the filter.”

How important do you think humor is in reporting in general?
Humor makes it easier for people who aren’t deeply interested in political topics to engage. A joke can open up a subject that might seem dull if presented dryly. To do my work at all, it’s crucial for me to have serious journalistic content. Without the work of outlets like Spiegel, Tagesschau, FAZ, or Zeit, I couldn’t make my videos. Both approaches are valid and have a different impact on people.

How does humor and journalism influence your everyday life? Can it be too much?
The weekly recap came from this urge to constantly know what’s happening. You could say I turned my addiction into my job. I used to hang out on Twitter and see what people were arguing about, so it’s not a burden—otherwise, I’d be pretty damaged by it.

Where do you draw the line when it comes to humor and tough topics?
There are definitely topics where jokes aren’t appropriate. I always trust my gut feeling. You don’t joke about human rights violations. That’s not something to make jokes about. In those cases, I leave the topic out and let those who are deeply involved with it handle it.

Is it important to you that someone reviews your content before it goes online?
Yes, absolutely. In the beginning, I was afraid that every video might have a mistake. Now, two people from the funk editorial team review each video. So if I miss something, it’s caught in the script. There aren’t many facts in the videos anyway. It’s a lot of storytelling, and anything that needs to be substantiated is substantiated.

Do you think using humor can affect your credibility as a journalist?
I’ve never taken myself seriously since I started using this filter. Sometimes I’m seen as a serious journalist, but I’m not, really. It’s nice to be categorized that way, but I’m mainly looking for the funny aspect of the news, not the news itself. My credibility as a journalist isn’t my main priority.

Going back to your work process: How do you come up with your ideas?
I feel like it’s become more routine now. Writing jokes is just a serious craft, which I never would have thought. I used to think ideas would just come to you, but that’s not how it works.

Did you develop this craft over time, or was it something you could always do?
I used to write one-liners on Twitter with the aim of doing it professionally someday. I read a few comedy writing books, but they don’t help that much. What helps most is watching what others do—not to copy, but to add your own touch. Ultimately, it comes from the character. Smypathisch has a very fixed perspective, very cynical, ironic. The jokes come naturally from this persona.

One-liner:
A joke or humorous remark told in one sentence, often used in comedy programs or on X (formerly Twitter).


Last year, you won the Grimme Prize in the Youth category. How important is this recognition for you and for the younger generation?
This award shows that not only young people are being recognized but also the platforms they use. It acknowledges that we find ways to consume similar content as on TV, just on different platforms. That’s why it was such a huge honor. I was primarily surprised because the younger generation often doesn’t get much praise.

What would be the ultimate achievement for you? Or have you already reached your childhood dream?
I never would have imagined winning a Grimme Prize, so that would have been one of my dreams. But from that point on, I was like, “Okay, anything can happen now.” I don’t have a specific goal. I just want to make as many funny things as possible. You never know what’s coming. None of what’s happened was ever planned. It’s crazy.

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