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Kostenlose Menstruationsprodukte – ein Anfang an der h_da

von Jana Mayer

POV: Die Menstruation kommt unerwartet zu früh, man hat keine Tampons mehr einstecken und muss sich entweder bei anderen Personen Produkte leihen oder mit Toilettenpapier behelfen.

Illustration: Karoline Hummel

Nicht nur Alina Brysina dürfte dieses Problem kennen. Sie hatte genug davon, während der Uni zum nächsten Supermarkt laufen zu müssen oder bei Freund:innen nachzufragen, ob sie einen Tampon dabei haben. In kleineren Lokalen stehen häufig Hygieneartikel bereit, sollte man selbst keine zur Hand haben, aber an der Hochschule fehlt jeglicher Zugang zu Menstruationsprodukten. Alina sieht ein großes Problem in der Tabuisierung der Menstruation und sucht eine schnelle und hygienische Lösung. An jeder Ecke stehen Zigarettenautomaten rum, warum also nicht auch Automaten mit Menstruationsartikeln? Aus der Idee entstand schnell ein Konzept und die Überzeugung, dass Menstruationsprodukte für alle zugänglich gemacht werden sollten. Erklärtes Ziel war es, dass in jedem Gebäude der Hochschule auf mindestens einer Toilette Menstruationsartikel kostenlos zur Verfügung stehen sollten. So wurden diese Automaten zu Alinas Herzensprojekt, das den menstruierenden Personen den Hochschulalltag erleichtert.

Um genauere Daten zu ermitteln, welche Produkte in welchem Umfang benötigt werden, wurde bereits 2019 eine Umfrage an alle Studentinnen der h_da verschickt. An der Umfrage nahmen 1160 Studentinnen teil, von denen über 87% Hygieneartikelautomaten an der h_da sinnvoll fanden. Knapp 90% haben schonmal ihre Hygieneartikel vergessen und 78% wurden bereits unerwartet unterwegs von ihrer Blutung überrascht. Die Resonanz gegenüber dem Vorstoß fiel überwiegend positiv aus, weshalb der AStA das Thema anging. Getragen wurde das Projekt weiterhin vor allem von Alina, die zunächst das Referat für Frauen und Gleichstellung und später das Referat Gesundheit und Sport leitete, um das Projekt „Menstruationsartikelspender“ endlich in die Tat umzusetzen.

Im Juni diesen Jahres konnten vom AStA, dem Familienbüro und dem Gesundheitsmanagement die ersten Spender an der h_da aufgehängt werden. Mittlerweile sind es neun, einer davon in Dieburg. Befüllt werden diese mit Bio-Tampons und -Binden, die der AStA zunächst für ein Jahr zur Verfügung stellt. Im Anschluss soll der Erfolg des Projekts ausgewertet und gegebenenfalls dem Präsidium vorgestellt werden. Die Spender für die Menstruationsprodukte stammen dabei von dem Magdeburger Startup Periodically.

Nicht nur an der h_da wird über kostenlose Menstruationsprodukte diskutiert. Die Tampon- und Bindenspender sind bereits an unterschiedlichen Hochschulen in Gebrauch, unter anderem an der Uni Gießen, der Uni Potsdam und der Charité Berlin. In Freiburg ist man schon etwas weiter: Dort gibt es die sogenannten „Period.Boxen“ schon seit 2019. Ein vergleichbares Pilotprojekt zu den Bestrebungen an der h_da läuft derzeit auch an der Universität Stuttgart, deren Studierendenvertretung sich dafür einsetzt, dass Menstruationsprodukte nicht nur auf Damen- sondern auch explizit auf Herrentoiletten zur Verfügung gestellt werden.

Die Thematik geht allerdings auch über den Hochschulalltag hinaus. So haben unterschiedliche Städte – unter anderem Karlsruhe, Heidelberg und Tübingen – eigene Pilotprojekte gestartet und legen Menstruationsprodukte in verschiedenen öffentlichen Gebäuden kostenlos aus. In anderen Städten wie Dresden ist es bereits beschlossene Sache, dass Menstruationsprodukte in den Ämtern, Schulen und Museen der Stadt kostenfrei zur Verfügung stehen sollen. Auch im Ausland ist das Thema aktuell. In Schottland zum Beispiel müssen seit August diesen Jahres alle städtische Einrichtungen und Bildungseinrichtungen Menstruationsprodukte kostenfrei zur Verfügung stellen. In Schulen gilt dies bereits seit dem vergangenen Jahr – der „Period Products Act“ weitet diese Pflicht nun aus. Damit ist Schottland laut eigenen Angaben das erste Land weltweit, das eine Bereitstellung von Menstruationsprodukten gesetzlich vorschreibt.

In Deutschland fand eine Online-Petition mit dem gleichen Ziel über 87.000 Unterzeichner:innen. Die kostenlose Bereitstellung von Menstruationsprodukten ist dabei aber nicht unumstritten: So ist ein beliebtes Argument von Kritiker:innen, dass Produkte zur Rasur, Brillen gegen die Sehschwäche und Essen gegen den Hunger auch nicht kostenlos zur Verfügung stehen. Befürworter:innen sehen hingegen eine finanzielle Mehrbelastung von menstruierenden Personen, da sie die Kosten von Menstruationsprodukten zusätzlich zu allen anderen Kosten zu tragen haben. Die kostenlose Bereitstellung von Menstruationsprodukten bedeutet allerdings nicht, dass diese gratis sind: Die Kosten werden dann von der Allgemeinheit, also den Steuerzahler:innen, getragen – und damit sowohl von Menstruierenden als auch von allen anderen Personen. Hier kann argumentiert werden, dass diese Umverteilung nur fair sei, da die finanzielle Mehrbelastung nicht nur auf den menstruierenden Personen lastet. Dagegen spricht, dass geschlechterspezifische Kosten nicht 1:1 gegeneinander aufgewogen werden können. Gerne angebracht wird an dieser Stelle das Rasierer-Argument: Männer müssten sich ja auch täglich rasieren und ihnen zahlt niemand die Rasierklingen. Der Vergleich hinkt sicherlich, da sich nicht nur Männer rasieren und gerade an Frauen oftmals die gesellschaftliche Erwartung haftet, glatt rasierte Beine und Achseln zu haben. Im Endeffekt steckt hier aber eine Grundsatzfrage dahinter: Wie viel sollte sich der Staat einmischen und inwieweit wollen wir in einer freien Marktwirtschaft leben? Ob Menstruationsprodukte also genau wie Klopapier auf Toiletten ausliegen sollten, ist somit nicht zuletzt eine Frage der politischen Überzeugung.

Es kann sicher in Frage gestellt werden, wie notwendig kostenlose Menstruationsprodukte für alle menstruierenden Personen sind, doch gerade für Personen in prekären Verhältnissen sollte sich diesbezüglich etwas ändern. Sicherlich ist die Debatte um kostenlose Menstruationsprodukte in Deutschland noch nicht ausdebattiert, aber es ist doch ein schöner Anfang, dass gerade in Zeiten von hoher Inflation und steigenden Preisen, dank Alinas Bemühungen wenigstens an der h_da die Möglichkeit besteht, Binden und Tampons kostenlos nutzen zu können.

Quellen

*letzter Zugriff am 24.11.2022

  • Zivilcourage
    Helfen statt nur tatenlos zusehen! Genau dazu ruft Pauline in ihrem Gedicht „Zivilcourage“ auf.
  • “Hab‘ wieder gelernt, mich selbst zu lieben”
    In Deutschland leiden etwa 3% der Bevölkerung an Borderline. Lena Stark, gerade 18 Jahre alt geworden, musste aufgrund ihrer Krankheit die Schule abbrechen. Heute kann sie offen darüber reden.
  • Wo ist meine Familie?
    Dilfire I. lebt seit sie aus Ostturkestan, heute „Xinjiang“ genannt, fliehen musste in Deutschland. Seit 2017 hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Grund dafür ist die Unterdrückung der Uiguren in China.

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