“Ein langer Atem für den Darmbach”
von Lucie Kraft (19.Mär.2025)
Wie eine Initiative versucht, das kleine Gewässer im Herzen der Stadt wieder zum Leben zu erwecken
Der rund 30 Kilometer lange Darmbach entspringt im Darmstädter Ostwald. Ab dem Vivarium fließt er durch Wiesenlandschaften, durchquert den Botanischen Garten und den Großen Woog, bevor er größtenteils unterirdisch bis in den Westen der Stadt verläuft – verborgen und beinahe vergessen.
Mit dem Darmbach geraten auch hohe Kosten des Darmstädter Haushalts in Vergessenheit. Jährlich fließen rund eine Millionen Kubikmeter sauberes Bachwassers in die Kanalisation und werden in der Kläranlage unnötig aufbereitet. Ein Verfahren, das hohe Kosten verursacht und keinerlei ökologischen oder praktischen Nutzen bringt.
Dabei könnte das Wasser stattdessen in die Stadtlandschaft integriert und für die Bürger:innen nutzbar gemacht werden. Genau hierfür setzt sich der Darmbach e.V. ein. Seit seiner Gründung im Jahr 2008 engagiert sich der Verein für die Offenlegung des Fließgewässers und macht auf dessen Bedeutung für Darmstadt aufmerksam.
Sein Ziel ist es, einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wasser zu fördern, neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen und das Stadtbild zu verschönern. Zudem könnte in Trockenzeiten die Frischwasserversorgung des Großen Woogs gesichert werden.
Ein weiteres Anliegen des Vereins ist die Reaktivierung des Meiereibachs, der seit den 1970er Jahren ebenfalls in die Kanalisation geleitet wird. Er soll unter der Bundesstraße B26 wieder in seinen ursprünglichen Lauf zurückgeführt werden, um den Darmbach und den Großen Woog mit Wasser zu versorgen.

Illustration: Margo Sibel Koneberg
Jutta Habermann ist Vorsitzende im Darmbach e.V. und freut sich über jedes Interesse an dem Projekt.
Wie sind Sie dazu gekommen, sich für den Darmbach zu engagieren?
Meine Verbindung zum Darmbach-Projekt begann in den 1990er Jahren, als in Darmstadt im Rahmen der Agenda 21-Prozesse Initiativen zur nachhaltigen Stadtentwicklung starteten. Die Offenlegung des Darmbachs war damals ein zentrales Projekt und nach der Vereinsgründung bin ich dann 2009 beigetreten. Mein Interesse an politischen Prozessen, die ich schon immer hatte, hat mir dabei geholfen, mich nach einigen Jahren in den Verein und meine spätere Rolle als Vorsitzende einzufinden. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie politische Macht funktioniert und das kann ich für den Verein nutzen. Das heißt, es ist eigentlich eher umgekehrt. Weil ich glaube, dass ich mich auskenne, fühle ich mich verpflichtet, mich in der Öffentlichkeit zu engagieren.
Hat Sie eine Person oder ein Ereignis besonders geprägt?
Das Soziale sowie auch die Natur sind schon immer ein Teil meiner Biografie. Auch in meiner Familie wurde immer ein Bezug zur Natur vermittelt und wir haben als Kinder oft an unserem örtlichen Bach gespielt. Als ich dann von der Situation des Darmbachs gehört habe, war für mich klar, dass sich etwas ändern muss. Es war also weniger eine Person als die Sache selbst. Ich glaube, da ist auch die Sozialarbeiterin in mir erwacht. Man hat mich auch schon die Frau für die “harten Fälle” genannt. Das ist bei der Arbeit in unserem Verein ähnlich, man muss einen langen Atem haben – ein mittlerweile geflügeltes Wort in unserem Vorstand, ohne das man nicht auskommt.
Was sind aktuelle Herausforderungen des Projekts?
Ein wichtiger Schritt in jüngster Zeit war die Erstellung einer Machbarkeitsstudie. Doch trotz vielversprechender Ergebnisse wird diese aufgrund politischer Entscheidungen vorerst nicht veröffentlicht. Hinzu kommt ein weiteres großes Hindernis: Die Rinne vor dem Wissenschafts- und Kongresszentrum Darmstadtium. Viele Menschen glauben, hier fließe der Darmbach, tatsächlich ist er jedoch nicht an diese Rinne angeschlossen und der Kanal ist gelegentlich mit Regenwasser gefüllt. So entsteht der Trugschluss, der Darmbach führe zu wenig Wasser. Diese und andere Missverständnisse erschweren die Kommunikation des Projekts in der Öffentlichkeit.
Was ist Ihre Hauptaufgabe im Verein?
Das Thema immer wieder auf die politische Agenda zu setzen, denn trotz erster Fortschritte scheitert die Umsetzung immer wieder an politischen Widerständen. Aber wir kommunizieren auf eine angenehme Art und Weise, auch wenn wir manchmal nerven. Das zeigt, dass wir hartnäckig an unserer Sache arbeiten. Besonders stolz bin ich auf unsere Öffentlichkeitsarbeit, die das Projekt in der Stadt bekannt macht. Trotz Rückschlägen lautet unsere Devise: Weitermachen! Dabei setzen wir vor allem auf das Engagement unserer Mitglieder und ermutigen auch neue Unterstützer:innen, sich einzubringen. Je mehr Menschen hinter dem Projekt stehen, desto größer wird der Druck auf die Politik.
Seit vielen Jahren setzt sich der Verein für die Offenlegung des Darmbachs ein, auch wenn die Fortschritte oft klein und die Hindernisse groß sind. Aufgeben ist aber auch für Frau Habermann keine Option. Statt sich von Rückschlägen entmutigen zu lassen, blicken sie nach vorne und halten an ihrer Vision fest: Eines Tages soll der Darmbach sichtbar durch Darmstadt fließen.
English version (automated translation:)
„A Long Breath for the Darmbach“
By Lucie Kraft (19.Mär.2025)
How an Initiative is Trying to Revive the Small Watercourse in the Heart of the City
In 2023, approximately 1.3 million euros from the Darmstadt city budget flowed into the municipal sewage treatment plant—an enormous amount spent on treating clean Darmbach water. For Darmbach e.V., this represents an ecological mismanagement that the association has been working against since its founding in 2008. Their mission is to advocate for the unsealing and public awareness of the stream. The goal is to promote responsible water resource management, create habitats for animals and plants, enhance the city’s appearance, and secure the fresh water supply for the Großer Woog during dry periods.
The roughly 30 km long Darmbach, which originates in Darmstadt’s eastern forest, flows through meadows past the Vivarium, traverses the Botanical Garden and the Großer Woog, before continuing mostly underground towards the western part of the city, where it has largely faded from public memory.
Another key concern is the reactivation of the Meiereibach, which has been diverted into the sewage system since the 1970s. The plan is to restore its original course under the federal highway B26 so that it can supply the Darmbach and the Großer Woog with water.

Illustration: Margo Sibel Koneberg
The chairwoman of the association, Jutta Habermann, is highly dedicated and welcomes any interest in the project.
How did you become involved in advocating for the Darmbach?
I have always been socially engaged in my community and am a co-founder of the association for child and youth work in the Johannesviertel. My connection to the Darmbach project began in the 1990s when Darmstadt initiated Agenda 21 processes for sustainable urban development. The unsealing of the Darmbach was a central project at the time, and I joined in 2009. My longstanding interest in political processes helped me quickly find my footing as chairwoman. I believe I now understand how political power works, and I can use that knowledge for the association. In a way, it works the other way around: because I think I know how things operate, I feel obligated to take action in the public sphere.
Was there a person or event that particularly influenced you?
Both social issues and nature have always been integral to my life. My family always emphasized a connection to nature, and as children, we often played by our local stream. When I learned about the situation of the Darmbach, I knew something had to change. So, it was less about a person and more about the cause itself. I think the social worker in me also awoke at that moment. People have called me „the woman for tough cases,“ and our association’s work is no different—you need perseverance. That has become a well-known phrase within our board; without it, you won’t get far.
Have you achieved any successes so far?
A significant recent milestone was the completion of a feasibility study. However, despite promising results, the study has not been published due to political decisions. Another major obstacle is the channel in front of the Science and Congress Center Darmstadtium. Many people believe that this channel carries the Darmbach, but it is not connected to the stream and is actually filled with drinking water. This misconception leads people to believe that the Darmbach lacks sufficient water. Such misunderstandings make it difficult to communicate the project effectively to the public.
What is your main role within the association?
Keeping the topic on the political agenda. Despite some progress, implementation repeatedly fails due to political resistance. However, we maintain a constructive approach, even if we sometimes annoy people. This persistence demonstrates our commitment. I am especially proud of our public outreach efforts, which have made the project well known in the city. Despite setbacks, our motto is: keep going! We rely heavily on the dedication of our members and encourage new supporters to get involved. The more people stand behind the project, the greater the pressure on policymakers.
For many years, the association has been advocating for the unsealing of the Darmbach, even though progress is often slow and obstacles are significant. Giving up is not an option for Ms. Habermann. Instead of letting setbacks discourage them, she and her colleagues continue to look ahead, holding on to their vision: one day, the Darmbach will once again flow visibly through Darmstadt.
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