MONK
von Lea Jung
Ich öffne die Augen. Meine Stirn lehnt an der feuchten Fensterscheibe. Die Vibration des Zuges in voller Fahrt macht es mir schwer, meine Umgebung klar zu erfassen. Ich höre ein Gähnen. Ich glaube es ist meins. Als ich meinen Kopf und das Glas voneinander trennen will, bleiben einige Strähnen kleben, was mich ziemlich anwidert. Augenblicklich streiche ich meine Haare glatt und richte meinen Rock, der mir im Schlaf quasi bis zum Bauchnabel hochgerutscht ist. Dann hebe ich meinen Blick und bereue es sofort.
Seine Lippen ziehen sich zu etwas zusammen, was ich zunächst für einen Kussmund halte, höre dann aber anerkennendes Pfeifen. Über dem Grinsen sitzen zwei hervortretende glasige Augen, definitiv ausgerichtet auf meinen Schoß mit Tendenz nach oben. Mich schauderts. Neben mir löst eine ältere Dame mit rot gefärbten Haaren Kreuzworträtsel. Ich versuche mich abzulenken, indem ich mein Gehirn auf der Suche nach dem Namen eines bekannten Jazz-Pianisten mit vier Buchstaben durchforste. Mein Knie wird warm und ich erstarre. Als ich das Grinsen mit den Augen wiederfinde tropft dort Speichel. Das sehe ich nur, weil es viel zu nah an mich herangekommen ist.
Das ist nicht mein erstes Mal. Ich versuche mein Gesicht zu der verstörendsten Fratze zu verziehen, die mir physisch und auf Knopfdruck möglich ist. Normalerweise hilft das, doch der schwitzende Alkoholiker drückt mir völlig unerwartet sein halb offenes, feuchtes Grinsen auf die Lippen. Ich bin fassungslos. Und weil ich so fassungslos bin tue ich etwas, was ich sonst nie tue und lasse meine Hand ausrutschen. Ein dumpfer Aufprall bestätigt meinen Sieg über das Grinsen. Das letzte was ich von dem Vierer noch sehe sind vier Buchstaben in der Hand der alten Dame.
Da hätte ich auch selbst drauf kommen können, denke ich mir, und steige aus.
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