MONK
von Lea Jung
Ich öffne die Augen. Meine Stirn lehnt an der feuchten Fensterscheibe. Die Vibration des Zuges in voller Fahrt macht es mir schwer, meine Umgebung klar zu erfassen. Ich höre ein Gähnen. Ich glaube es ist meins. Als ich meinen Kopf und das Glas voneinander trennen will, bleiben einige Strähnen kleben, was mich ziemlich anwidert. Augenblicklich streiche ich meine Haare glatt und richte meinen Rock, der mir im Schlaf quasi bis zum Bauchnabel hochgerutscht ist. Dann hebe ich meinen Blick und bereue es sofort.
Seine Lippen ziehen sich zu etwas zusammen, was ich zunächst für einen Kussmund halte, höre dann aber anerkennendes Pfeifen. Über dem Grinsen sitzen zwei hervortretende glasige Augen, definitiv ausgerichtet auf meinen Schoß mit Tendenz nach oben. Mich schauderts. Neben mir löst eine ältere Dame mit rot gefärbten Haaren Kreuzworträtsel. Ich versuche mich abzulenken, indem ich mein Gehirn auf der Suche nach dem Namen eines bekannten Jazz-Pianisten mit vier Buchstaben durchforste. Mein Knie wird warm und ich erstarre. Als ich das Grinsen mit den Augen wiederfinde tropft dort Speichel. Das sehe ich nur, weil es viel zu nah an mich herangekommen ist.
Das ist nicht mein erstes Mal. Ich versuche mein Gesicht zu der verstörendsten Fratze zu verziehen, die mir physisch und auf Knopfdruck möglich ist. Normalerweise hilft das, doch der schwitzende Alkoholiker drückt mir völlig unerwartet sein halb offenes, feuchtes Grinsen auf die Lippen. Ich bin fassungslos. Und weil ich so fassungslos bin tue ich etwas, was ich sonst nie tue und lasse meine Hand ausrutschen. Ein dumpfer Aufprall bestätigt meinen Sieg über das Grinsen. Das letzte was ich von dem Vierer noch sehe sind vier Buchstaben in der Hand der alten Dame.
Da hätte ich auch selbst drauf kommen können, denke ich mir, und steige aus.
- Diagnose: PanikstörungDiagnose: Panikstörung Über Maries Umgang mit der Angst von Christine Gerstmaier (22.Jan.2025) Triggerwarnung Dieser Text beinhaltet ausführliche Beschreibungen von Angst- und Panikattacken mit Erwähnungen von sexuellem Missbrauch und Schwangerschaftsabbrüchen. Zum Schutz der Persönlichkeit wurde der Name der Protagonistin geändert. Folgender Text behandelt die subjektive Sicht und Erfahrung einer Person. Sie dient nicht als Repräsentantin aller… Weiterlesen »Diagnose: Panikstörung
- Beats, Bässe und BarrierenBeats, Bässe und Barrieren Von Louisa Albert (15.01.2025) Als Kind war sie Scooter-Fan, heute feiert sie Gabber* und Breakbeat*. Melanie (wassamelonie) ist 23, wohnt in Darmstadt und wenn sie nicht gerade am Dieburger Campus mit ihrem Master beschäftigt ist, dann findet man sie zum Beispiel zwischen Schallplatten oder hinter ihrem DJ-Pult. Seit etwas mehr als… Weiterlesen »Beats, Bässe und Barrieren
- Bangen um den OsthangBangen um den Osthang Wohin mit Darmstadts Kulturszene? Von Louisa Albert (11.Dez.2024) Ein Zollstock wedelt in der Luft, an ihm befestigt ist eine dünne Seite Papier. “OHA bleibt”, ist darauf zu lesen. Mehr braucht es kaum, um zusammenzufassen, um was es den etwa 300 Leuten geht, die sich an diesem Sonntag auf dem Luisenplatz versammelt… Weiterlesen »Bangen um den Osthang