Nähe auf Distanz – während Corona ins Auslandssemester?
von Nadine Scholz
Alle halten zu diesen Zeiten Distanz, aber jeder hält es eben ein bisschen anders.
Diese Frage kam bei einem Zoom-Meeting mit meinen Kommiliton*innen auf. Unsere Studienzeit ist begrenzt, und meist ist nur ein ganz bestimmter Zeitrahmen für ein Auslandssemester vorgesehen. Jetzt wäre die perfekte Zeit und vielleicht sogar die einzige Möglichkeit im Leben… oder eben doch nicht? Ist es zu egoistisch gedacht, jetzt zu reisen, wo doch so viele in unserer Gesellschaft unter der Pandemie massiv leiden? Oder sollten wir gerade jetzt dieses Privileg ergreifen und den internationalen Austausch aufrechterhalten oder gar voranbringen? Könnte es nicht sogar unsere Aufgabe als Studierende sein, Mauern zu überbrücken, die Corona zurzeit schafft, und Nähe zu schaffen? Durch die Pandemie werden Grenzen geschlossen, Tourismus wird unterbunden, Gesellschaften entfremden sich… sind dann nicht wir Austauschstudierende wichtiger denn je? Aber ganz abgesehen von dem gesellschaftlichen Zweck. Lohnt sich ein Auslandssemester während einer Pandemie denn für uns persönlich?
Zurzeit gibt es Auslandssemester vor Ort mit strikten #physicaldistancing-Regeln und sogar digitale Onlinesemester von zuhause aus. Aber selbst wenn wir einreisen dürfen, lohnt sich dann ein Auslandssemester gerade? Kann man überhaupt die gleichen Erfahrungen sammeln wie in einem Auslandssemester, wie es noch letztes Jahr möglich war? Ich selbst war vor zwei Jahren schonmal für ein Erasmus-Semester in Frankreich und habe so viele Erfahrungen gesammelt – wäre ich jetzt auch der gleiche Mensch, wenn ich das Semester damals unter Pandemiebedingungen absolviert hätte? Das gleiche kann es ja sicherlich nicht sein. Oder?
Klar, die klassischen Erasmus-Partys und mit anderen auf Kuschelkurs gehen gibt’s nicht… ist aber auch nicht jedermanns Sache. In Ländern, bei denen die Leute reservierter sind, ist es vielleicht zurzeit gar nicht so viel anders. Und die Stadt sowie die Kultur kann man ja trotzdem entdecken. Es ist doch sowieso eher der Austausch mit den anderen Studierenden, als die kahlen Unigebäude und mittelmäßigen Mensen, der ein Auslandssemester ausmacht.
Es bleibt also die Frage, wie man Nähe definiert. Kann man auch Nähe zu Studierenden im Ausland aufbauen, ohne neben diesen im Hörsaal zu sitzen? Klar, die physische Nähe fehlt in einem digitalen Semester. Aber wie sieht’s denn mit der emotionalen Nähe aus? Vielleicht kann man ja auch auf eine neue Art und Weise neuen Bekanntschaften aufbauen und so Leuten nah sein. Es erfordert jedenfalls einen hohen Grad an Interkulturalität, wenn man digital Nähe aufbauen will – also eine neue Herausforderung für Austauschstudierende und local students.
Aber das Gute ist ja, dass eine Unsicherheit immer auch Chancen bietet. Diejenigen, die sich bisher ein Auslandssemester aus diversen Gründen nicht vorstellen konnten, haben jetzt die Möglichkeit, ein Auslandssemester zu absolvieren. Finanzielle, persönliche und familiäre Gründen, oder aus ökologischem Antrieb heraus nicht fliegen zu wollen… ein Corona-digitales Auslandssemester, wie es einige Universitäten anbieten, eröffnet nun vielen Studierenden neue Möglichkeiten.Letztlich kommt es wohl darauf an, aus welchen Gründen man ein Auslandssemester machen will und was einem dabei besonders wichtig ist. Vielleicht lohnt sich ein Auslandssemester in diesen besonderen Zeiten also doch… So richtig weiß man das natürlich nur, wenn man das Experiment einfach selbst wagt. Falls ja: Passt auf euch auf und haltet euch bitte an die Regeln. Berichtet doch mal über eure Erfahrungen! 😊
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