Zum Inhalt springen

Musikalische Albtraumparty von Billie Eilish – Eine Musikanalyse

von Lisa Rupprecht (03.01.2024)

Ein Besuch beim Zahnarzt, ein Autounfall, Spinnen, die einem aus dem Mund kriechen und ein schrecklicher Albtraum – was haben diese scheinbar so unterschiedlichen Erlebnisse miteinander gemeinsam? Sie alle finden sich auf Billie Eilish’s erstem Studioalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ wieder, das in Zusammenarbeit mit Elish’s älterem Bruder Finneas O’Connell produziert und 2019 veröffentlicht wurde. Es umfasst 14 Songs und hat eine Gesamtlaufzeit von etwa 42 Minuten. Darunter sind das Intro „!!!!!!!“, das den Beginn der Albumaufnahmen der Zuhörerschaft auf humorvolle Weise näherbringt, das Outro „goodbye“, das eine Zusammenfassung des gesamten Albums darstellt und eine Reihe von kurzen Ausschnitten aus den verschiedenen Songs präsentiert. 

Illustration: Margo Sibel Koneberg

Mit dem Hit „Bad Guy“ war Billie Eilish 66 Wochen in den Charts, ist in Deutschland Platin gegangen und hat den Grammy für den Song des Jahres gewonnen. Ob im Radio, auf TikTok, Instagram oder im Fernsehen: Sie war einfach überall. Als das Album erschien, war Billie Eilish gerade einmal 17 Jahre alt. Die in Los Angeles geborene Künstlerin hatte bereits im Alter von 14 Jahren mit der Veröffentlichung ihrer Single „Ocean Eyes“ einen riesigen Hype erlebt, der Song hat inzwischen 1,2 Milliarden Streams. 

Schlafprobleme als Inspiration
Eilish’s musikalischer Werdegang hat sie zu einem Symbol unserer Generation gemacht, vergleichbar mit dem Einfluss, den Justin Bieber in Eilish’s eigener Jugend hatte. Ich habe Billie Eilish zum ersten Mal live bei einem Konzert im Gibson in Frankfurt 2019 gesehen, noch vor Veröffentlichung ihres ersten Studioalbums. Schon damals präsentierte sie einige Songs aus dem Album, darunter „You Should See Me in a Crown“, den Song, der den Boden zum Beben und alle zum Kreischen brachte. Nach dem Konzert war das Album für mich mehr als nur Musik. Es wurde zu meinem Begleiter in schwierigen Zeiten und gab mir das Gefühl, mit meinen Schlafproblemen nicht allein zu sein. Plötzlich bin ich nicht mehr allein durch die schlaflosen Nächte gegangen, sondern mit Billies Klängen im Ohr. Dass ihre Musik nicht gerade die entspannendste ist, war mir damals egal. Jedes Lied von Billie Eilish hat seine eigene Stimmung und soll sich für Hörer:innen anders anfühlen. 

Musik trifft Kunst trifft Realität
Kurz nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums ließ sich Billie etwas ganz Besonderes für ihre Fans einfallen. Für eine Woche eröffnete sie in Los Angeles die „When We All Fall Asleep, Where Do We Go – Experience“. Ich selbst konnte die Ausstellung in L.A. leider nicht besuchen, aber es gab jede Menge Videos im Internet, die darüber berichteten und die ich mir begeistert ansah. In jedem Raum dieser Ausstellung wurde ein Song des Albums auf einzigartige Weise präsentiert – mit anderen Farben, Texturen, Temperaturen und Formen, um die Atmosphäre des jeweiligen Liedes einzufangen. Bei dem Lied „Xanny“, in dem es um das Rauchen und den Drogenkonsum von Freunden geht, setzt im Refrain ein tiefer Bass ein, der durch den Text besonders betont wird: „I’m in their second hand smoke“ (übersetzt: „Ich bin in ihrem Passivrauch“). Genau zu dieser Zeile füllte sich der entsprechende Raum in der Ausstellung mit einem dichten Nebel. Im Raum für das Lied „8“ liefen sogar lauter echte (!) Hundewelpen herum! Diese kommen im Liedtext zwar nicht vor, sorgten aber für eine bestimmte Stimmung im Raum. Zwischen Eilish’s hohen Tönen und dem sanften Klang der Ukulele konnten sich die Besucher:innen mit Hilfe der Welpen von dem traurigen Text des Liedes ablenken. In dem Lied geht es um das Verlassenwerden und um unerwiderte Liebe: „Cause who am I to be in love when your love never is for me?“ (übersetzt: “Denn wer bin ich, um verliebt zu sein, wenn deine Liebe nie für mich gewesen ist?”)

Die Ausstellung war wie eine kreative Reise durch die Musik von Billie Eilish. Für die Fans schaffte die Installation nicht nur eine visuelle und sinnliche Verbindung zu den Liedern, sondern vertiefte auch das Verständnis für die künstlerische Vision von Billie Eilish. 

Zahnarzt-Sounds schaffen den perfekten Horror
Die Musik auf Eilish’s erstem Studioalbum klingt anders als ihre früheren Songs. Das liegt daran, dass Bruder Finneas auf dem Album einfache Beats, dunkle Melodien und einen neuen Gesamtsound verwendet. Die Songs auf dem Album sind sehr abwechslungsreich, manchmal ruhig und intim, dann wieder sehr kraftvoll. Ungewöhnliche Klänge werden in die Hits integriert. In dem Song „Bury a friend“ zum Beispiel wird die elektrische Feile eines Zahnarztes in den Refrain eingefügt, um ein unangenehmes Gefühl zu erzeugen. Diese Details kommen nicht von ungefähr. 

Über ihre persönlichen Erfahrungen und Gedanken zu ihrem Album spricht Billie Eilish in der Doku „The World’s a Little Blurry“ von Apple TV: „Jeder Song auf dem Album steht für etwas, das dir im Schlaf passieren kann: Schlaflähmung, Nachtangst, Albträume, luzide Träume. All die Dinge, für die niemand eine Erklärung hat. Ich hatte immer schreckliche Angst vor der Nacht und konnte nicht schlafen, alle meine Träume sind luzide, ich kann sie also kontrollieren. Ich weiß, dass ich träume, während ich träume. Manchmal geschehen die Dinge aus meinen Träumen am Tag darauf dann wirklich. Das ist echt irre. Auf dem Album beschreibe ich nicht, was ich geträumt habe, sondern wie es sich angefühlt hat.“ 

Von Schlafparalysen und luziden Träumen
Das Album wird also nicht nur durch seine vielseitige musikalische Gestaltung, sondern auch durch die emotionale Tiefe der Texte zu einem einzigartigen Kunstwerk. Eilish hatte es sich zum Ziel gesetzt, in jedem Song einen Zustand zu beschreiben, der mit dem Schlaf in Verbindung steht. So stand beispielsweise die Schlafparalyse – eine Schlafstörung, bei der der Kopf wach ist und die Sinne funktionieren, der Körper sich aber nicht bewegen kann – im Mittelpunkt ihres Albums. Ein Beispiel dafür ist der Song „Bury a Friend“, der von einem Monster handelt, das unter dem Bett lauert und einen beobachtet, während man gelähmt ist. Zeilen wie „Then my limbs all froze and my eyes won’t close“ (übersetzt: „Meine Glieder erstarrten und meine Augen schlossen sich nicht“) spiegeln die beklemmende Atmosphäre dieses Phänomens wider.

In einigen Interviews erzählte Eilish davon, dass sie anfangs selbst nicht wusste, was das genau war, was sie da erlebte. Sie teilte auch ihre persönlichen Erfahrungen mit Albträumen, die sie in vielen Nächten plagten. Eilish erlebt ihre Albträume häufig als luzide, also als Träume, während derer man erkennt, dass man sich in einem Traum befindet und ihn daraufhin aktiv beeinflussen kann. In „ilomilo“ geht es um das emotionale Auf und Ab, einen geliebten Menschen zu verlieren und ihn dann wiederzufinden – als ob sie in einem Spiel agieren würde, bei dem sie scheinbar die Kontrolle behält. Mit den Worten „I can’t lose another life“ (übersetzt: „ich kann nicht noch ein Leben verlieren“) beschreibt sie, wie die Handlungen in ihren Träumen zwar authentisch wirken, sie jedoch gleichzeitig weiß, dass sie sich nicht wirklich in Lebensgefahr befindet. 

Wenn man sich alle Songs des Albums ansieht, fällt auf, dass die letzten drei eine besondere Botschaft vermitteln: „Listen before I go“, „I love you“ und „goodbye“. Wie in einem Abschiedsbrief entlässt Billie damit ihre Zuhörer:innen. 

Also eine gute Nacht, und mögen eure Träume ebenso mitreißend sein wie die musikalische Albtraumparty von Billie Eilish!

English version (automated translation):

Musical nightmare party by Billie Eilish – A music analysis

by Lisa Rupprecht (03.01.2024)

A visit to the dentist, a car accident, spiders crawling out of your mouth and a terrible nightmare – what do these seemingly disparate experiences have in common? They can all be found on Billie Eilish’s first studio album „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“, which was produced in collaboration with Eilish’s older brother Finneas O’Connell and released in 2019. It comprises 14 songs and has a total running time of around 42 minutes. Among them are the intro „!!!!!!!“, which humorously introduces the beginning of the album recordings to the audience, the outro „goodbye“, which is a summary of the entire album and presents a series of short excerpts from the various songs.

Illustration: Margo Sibel Koneberg

Billie Eilish’s hit „Bad Guy“ spent 66 weeks in the charts, went platinum in Germany and won the Grammy for Song of the Year. Whether on the radio, on TikTok, Instagram or on television: It was simply everywhere. When the album was released, Billie Eilish was just 17 years old. The Los Angeles-born artist had already experienced huge hype at the age of 14 with the release of her single „Ocean Eyes“, and the song now has 1.2 billion streams.

Sleep problems as inspiration
Eilish’s musical trajectory has made her a symbol of our generation, comparable to the influence Justin Bieber had in Eilish’s own youth. I first saw Billie Eilish live at a concert at the Gibson in Frankfurt in 2019, before the release of her first studio album. Even then, she performed a few songs from the album, including „You Should See Me in a Crown“, the song that got the floor shaking and everyone screaming. After the concert, the album was more than just music to me. It became my companion in difficult times and made me feel like I wasn’t alone with my sleep problems. Suddenly I was no longer going through sleepless nights alone, but with Billie’s sounds in my ears. I didn’t care that her music wasn’t exactly the most relaxing at the time. Every Billie Eilish song has its own mood and should feel different to the listeners.

Music meets art meets reality
Shortly after the release of her first album, Billie came up with something very special for her fans. For one week, she opened the „When We All Fall Asleep, Where Do We Go – Experience“ in Los Angeles. Unfortunately, I wasn’t able to visit the exhibition in L.A. myself, but there were lots of videos on the Internet about it, which I watched with enthusiasm. In each room of this exhibition, a song from the album was presented in a unique way – with different colors, textures, temperatures and shapes to capture the atmosphere of each song. The song „Xanny“, which is about smoking and drug use by friends, features a deep bass in the chorus, emphasized by the lyrics: „I’m in their second hand smoke“. The corresponding room in the exhibition filled with a dense fog precisely to this line. There were even real (!) puppies running around in the room for the song „8“! Although they don’t appear in the lyrics, they created a certain atmosphere in the room. Between Eilish’s high notes and the gentle sound of the ukulele, the visitors were able to distract themselves from the sad lyrics of the song with the help of the puppies. The song is about abandonment and unrequited love: „Cause who am I to be in love when your love never is for me?“

The exhibition was like a creative journey through the music of Billie Eilish. For fans, the installation not only created a visual and sensory connection to the songs, but also deepened their understanding of Billie Eilish’s artistic vision.

Dentist sounds create the perfect horror
The music on Eilish’s first studio album sounds different from her earlier songs. That’s because Brother Finneas uses simple beats, dark melodies and a new overall sound on the album. The songs on the album are very varied, sometimes quiet and intimate, then again very powerful. Unusual sounds are integrated into the hits. In the song „Bury a friend“, for example, a dentist’s electric file is inserted into the chorus to create an unpleasant feeling. These details are no coincidence.

Billie Eilish talks about her personal experiences and thoughts on her album in the documentary „The World’s a Little Blurry“ on Apple TV: „Every song on the album represents something that can happen to you in your sleep: Sleep paralysis, night terrors, nightmares, lucid dreams. All the things that no one has an explanation for. I was always terrified of the night and couldn’t sleep, all my dreams are lucid, so I can control them. I know I’m dreaming while I’m dreaming. Sometimes the things in my dreams actually happen the next day. It’s really crazy. On the album, I don’t describe what I dreamed, but how it felt.“

Of sleep paralysis and lucid dreams
The album is not only a unique work of art due to its diverse musical composition, but also due to the emotional depth of the lyrics. Eilish had set herself the goal of describing a state associated with sleep in each song. For example, sleep paralysis – a sleep disorder in which the head is awake and the senses function but the body cannot move – was the focus of her album. One example of this is the song „Bury a Friend“, which is about a monster that lurks under the bed and watches you while you are paralyzed. Lines like „Then my limbs all froze and my eyes won’t close“ reflect the oppressive atmosphere of this phenomenon.

In some interviews, Eilish said that she didn’t know what exactly she was experiencing at first. She also shared her personal experiences with nightmares that plagued her on many nights. Eilish often experiences her nightmares as lucid, i.e. as dreams during which you realize that you are in a dream and can then actively influence it. Her song „ilomilo“ is about the emotional ups and downs of losing a loved one and then finding them again – as if she was playing a game in which she seems to be in control. With the words „I can’t lose another life“, she describes how the actions in her dreams seem authentic, but at the same time she knows that her life is not really in danger.

If you look at all the songs on the album, it is noticeable that the last three convey a special message: „Listen before I go“, „I love you“ and „goodbye“. As if in a farewell letter, Billie sends her listeners off.

So have a good night, and may your dreams be just as rousing as Billie Eilish’s musical nightmare party!

  • Auf ‘ne Pink Lady
    Kaffee und Kiffen statt Kaffee und Kippen: Seit dem 1. April ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Volljährige zum Eigenkonsum legal. Was bedeutet das für Studierende, die zuvor schon gekifft haben? Und: Was hat sich seit der Legalisierung für sie geändert?
  • Versäumte Bilder – Eine Ausstellungs-Review
    „Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen.“ Das hörte sich erstmal interessant an, bevor ich die Ausstellung aber besuche, möchte ich mich aber nochmal genauer informieren. Ich nehme mein Handy aus meiner Tasche, gehe auf Google und suche den Titel der Ausstellung. Das Erste, was mir gezeigt wird, ist fett geschrieben, in roten Buchstaben: „Meinten Sie: Versaute Bilder, Frauen in der Wissenschaft?“
  • Mediencampus: Willkommen im Sommersemester 2024
    Wir wünschen euch den besten Semesterstart für das Sommerhalbjahr! Mit einem – wie wir finden – ziemlich realistischen Eindruck davon, was euch am Mediencampus in Dieburg erwartet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert