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Versäumte Bilder – Eine Ausstellungs-Review

von Sarah Wagner-Borst (17.04.2024)

Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen: Das ist das Ziel des Ausstellungsprojekts „Versäumte Bilder“, die KI-generierte Bilder der Künstlerin und Wissenschaftskommunikatorin Gesine Born im Schader-Forum zeigt. Die Ausstellung ist noch bis Ende Juni zu sehen. 
(Offizieller Beschreibungstext der Ausstellung) 

Illustration: Margo Sibel Koneberg

„Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen.“ Das hörte sich erstmal interessant an, bevor ich die Ausstellung aber besuche, möchte ich mich aber nochmal genauer informieren. Ich nehme mein Handy aus meiner Tasche, gehe auf Google und suche den Titel der Ausstellung. Das Erste, was mir gezeigt wird, ist fett geschrieben, in roten Buchstaben: „Meinten Sie: Versaute Bilder, Frauen in der Wissenschaft?“ „Versäumte Bilder“ zu „versaute Bilder“ umwandeln, ganz schön konträr. Ich habe mich in dem Moment so unwohl dabei gefühlt, dass ich erstmal einer Freundin davon erzählt habe, die daraufhin ebenfalls nach dem Namen der Ausstellung suchte und den gleichen „Verbesserungsvorschlag“ angezeigt bekam. Dieses Unwohlsein breitete sich auch in ihr aus. Der Grund dafür war die Wichtigkeit, welche wir beide in der Ausstellung sehen, Frauen angemessen zu repräsentieren und das Verunstalten dieser Wichtigkeit durch den „Verbesserungsvorschlag“ von Google.

In der Ausstellung geht es darum, Frauen in der Wissenschaft sichtbar zu machen, ihnen aufgrund der Versäumnisse der Vergangenheit einen Namen und ein Gesicht zu verleihen, sie wertzuschätzen und anzuerkennen – und eben nicht darum, dass Frauen, wie seit Jahrhunderten sexualisiert werden. Es geht darum, zu zeigen, dass sie mehr sind und auch schon immer mehr waren. Wie dieses Sichtbarmachen aussieht, wollte ich mir auf jeden Fall nicht entgehen lassen. 

Das Schader-Forum ist sehr leicht mit der Linie 3E Richtung Lichtenbergschule zu erreichen. Steht man vor dem Forum, muss man zunächst durch eine Drehtür durch, daraufhin steht man in einer Eingangshalle und muss erstmal eine Treppe runter. Das Ganze gibt mir zunächst ein komisches Gefühl, da es sich aufgrund einer vorherrschenden Stille und Leere erstmal nicht erlaubt anfühlt, einfach die Treppen runterzulaufen. Angekommen im Ausstellungsraum werden meine Begleitung und ich mit den herzlichen Worten: „Wie schön, solche freundlichen Gesichter“ willkommen geheißen. Abgesehen von uns und der Security ist keine weitere Person anwesend. Der gesamte Ausstellungsraum gibt mir das Gefühl, in einer Bibliothek zu sein, in der man aufpassen muss, nicht zu laut zu atmen. Den Raum umschließen hölzerne hohe Wände und auch solche, die mitten im Raum stehen, wie Labyrinth-Wände, die einem den Weg weisen und die Ausstellungsstücke präsentieren. Der erste Eindruck ist zugleich bedrückend, aber auch friedlich. 

Lise Meitner erzählt
Das nächste, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht, sind die großen Bilder, die überall hängen; hierbei handelt es sich um die KI-generierten Bilder der Wissenschaftlerinnen. Tritt man näher, sieht man schwarz auf weiß die Beschreibung der jeweiligen Frau. Name, Geburtsdaten, grober Lebenslauf und wichtige wissenschaftliche Errungenschaften. Eine Besonderheit, die mir auffällt: In der oberen rechten Ecke jedes Bildes ist jeweils ein Kopfhörersymbol und ein QR-Code zum Scannen, um die ganze Erfahrung auch relativ barrierefrei zu gestalten. Eine nette Idee, jedoch hätte ich mir gewünscht, dass es vorher mehr ausgeschrieben worden wäre, sei es auf der Website oder den Bannern, da ich denke, dass die wenigsten Leute sich Kopfhörer mit zu einer Ausstellung nehmen. Das Kreative an der Sache ist, dass der Text von einer KI gesprochen wurde. Die Stimme, die hier verwendet wurde und mit der die KI gearbeitet hat, ist die der Wissenschaftlerin Lise Meitner. Entweder über oder unter der Beschreibung kann man dann noch jeweils ein Originalbild der Wissenschaftlerinnen sehen. Auch der KI-Prompt*, der eingegeben wurde, um das Bild zu generieren, ist in einem kleinen, neongelben, quadratischen Kasten nachzulesen. Diesen Aspekt finde ich besonders interessant, da ich auf diese Weise nachvollziehen kann, womit genau die KI gearbeitet hat.

Unstimmigkeiten
Was mir zunächst bei den ersten beiden Bildern auffällt, ist, dass die Frauen, welche darauf zu sehen sind, sich sehr ähnlich sehen. Sowohl von den Gesichtszügen her als auch vom Alter. Das Problem dabei ist vor allem, dass bei der ersten KI-Eingabe, welche die Wissenschaftlerin Cecilia Payne-Gaposchkin darstellt, der Prompt übersetzt lautete: „ [Foto von Cecilia Payne] als 50-Jährige Wissenschaftlerin, stehend vor einem Teleskop, lächelnd, Pressefoto von 1940, emotional, Preis gewinnend“ und dennoch eine sehr junge Frau in ihren Zwanzigern abgebildet war. Im perfekten Vergleich dazu, das KI-Bild von Elisabeth Schiemann, Genetikerin, Botanikerin und frühe NS-Gegnerin, welches direkt neben dem ersten hängt. Hier beinhaltet die KI-Eingabe, dass eine Zwanzigjährige abgebildet werden solle. Die beiden Frauen sehen sich auf ihren KI-Bildern zum Verwechseln ähnlich. 

Solche Dopplungen sind mir ansonsten aber nicht weiter aufgefallen. Die akkurate Repräsentation des Alters bleibt jedoch weiterhin etwas fragwürdig. Die Wissenschaftlerinnen sehen tendenziell um einiges jünger aus, als die KI sie darstellen sollte, kaum Falten, weiche Gesichter. Auf einem weiteren Prompt, der Lise Meitner, die zusammen mit Otto Hahn die Kernspaltung entdeckte, repräsentieren soll, steht, dass sie lachen soll. Auf dem generierten Bild sieht man aber nur eine Reproduktion Lise Meitners mit sehr ausdruckslosem Gesicht. 

Bei der zum Teil vorkommenden Ungenauigkeit der Bilder, habe ich mich aber gefragt, ob die Repräsentation überhaupt repräsentativ ist. Ich schätze den Versuch wert und verstehe auch, wie wichtig es ist, diese Lücke der Verdrängung zu schließen, jedoch frage ich mich, wie wertvoll es ist, dann ein falsches Gesicht vor Augen zu haben. Einerseits weiß man dann wenigstens, dass eine Frau hinter dieser Entdeckung oder Arbeit stand, andererseits hat man dann eben vielleicht eine ganz andere Person im Kopf. Man muss natürlich auch sagen, dass es auch Bilder gibt, die relativ repräsentativ aussehen, mir kommt es aber so vor, dass dies nur dann der Fall war, wenn generell schon mehrere gute Bilder von der Wissenschaftlerin existiert haben. Das ist zum Beispiel auch bei Erika Spiegel, die 1993 den ersten Schader Preis gewann, der Fall. Das fehlende Foto von ihrer Preisverleihung – es wurde damals einfach keines gemacht – war ideengebend für die Ausstellung. Es soll an genau solche monumentalen Ereignisse, die niemals festgehalten worden sind, erinnern und Frauen wie Erika Spiegel repräsentieren und nachträglich festhalten.

Der Sexismus der KI
An den Bildern und Texten vorbeigelaufen, endet man vor einer Leinwand und einem Sofa. Auf der Leinwand wird der Prozess der Erstellung der Bilder gezeigt. Hier wird veranschaulicht, wie viele Versuche es braucht, ein angemessenes Bild zu generieren oder dass manche Bilder am Ende aus drei einzelnen Bildern zusammengeschnitten worden sind. Als besonders wichtig empfinde ich, dass hier sowohl die Vorurteile als auch die Schwierigkeiten, die Künstliche Intelligenz mit sich bringt, thematisiert werden. Das wird besonders deutlich, wenn man die KI beispielsweise darum bittet, ein Bild von eine*r Wissenschaftler*in zu generieren. Im Englischen ist „scientist“ geschlechtsneutral – es gibt also kein generisches Maskulinum. Die Bilder, die die KI ausspuckt, zeigen keinerlei Vielfalt: Es entstanden beim ersten Versuch schlicht und einfach vier, weiße, alte Männer mit Bart.

Da unsere gesellschaftlichen Strukturen sexistisch, rassistisch und diskriminierend sind, äußert sich das natürlich in den Endproduktion der KIs. Umso wichtiger ist es, eben auch genau darüber aufzuklären. Ein Tipp, den die Aussteller:innen gaben, ist, dass man versuchen solle „gegen zu prompten“.  Also zum Beispiel solle man gezielt „female scientist“ eingeben, um die KI auf lange Sicht zu trainieren. Zwar sollte das Wort „scientist“ die Option „female“ automatisch miteinschließen, aber soweit ist die KI eben leider noch nicht. 

Mein Fazit
Ich würde jeder und jedem von euch empfehlen, die Ausstellung anzuschauen. Die einzige Wissenschaftlerin, von der ich vorher den vollen Namen kannte und wusste, was sie entdeckt hat, war Marie Curie. Jetzt kenne ich 16 weitere. Auch wenn ich die Bilder teilweise nicht als allzu repräsentativ empfunden habe, finde ich es trotzdem wichtig, sich mit der Grundthematik der Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft befassen. Die Ausstellung regt nicht nur zum kritischen Nachdenken, sondern vor allem auch dazu an, unsere heutigen Strukturen zu reflektieren. 

*Ein Prompt ist eine Aufforderung, die vor allem im IT-Bereich vorkommt und besonders häufig mit KIs in Verbindung gebracht wird. 

Aufgepasst!
Ihr könnt die kostenfreie Ausstellung noch bis Ende Juni 2024 besuchen. Checkt vorher am besten die Öffnungszeiten, denn die Ausstellung hat nur von Freitag bis Sonntag geöffnet. Ihr habt auch noch die Chance, an öffentlichen Führungen ohne Voranmeldung teilzunehmen. https://www.schader-stiftung.de/themen/kommunikation-und-kultur/fokus/kunst-und-gesellschaft/artikel/ausstellung-versaeumte-bilder-frauen-in-der-wissenschaft-sichtbar-machen

English version (automated translation):

Missed Images – An Exhibition Review

by Sarah Wagner-Borst (17.04.2024)

Making women in science visible: This is the goal of the exhibition project „Missed Images“, which shows AI-generated images by the artist and science communicator Gesine Born at the Schader Forum. The exhibition can be seen until the end of June.
(Official description of the exhibition)

illustration: Margo Sibel Koneberg

„Making women in science visible“. That sounds interesting at first, but before I visit the exhibition, I want to find out more about it. I take my phone out of my pocket, go to Google, and search for the title of the exhibition. The first thing shown to me is in bold, red letters: „Did you mean: Naughty Images, Women in Science?“ Changing „Missed Images“ to „naughty images“ is quite the contrast. I felt so uncomfortable at that moment that I first told a friend about it, who also searched for the name of the exhibition and got the same „suggestion.“ This discomfort spread to her as well. The reason was the importance we both see in the exhibition, to represent women appropriately and the distortion of this importance by Google’s „suggestion.“

The exhibition is about making women in science visible, giving them a name and a face due to past omissions, appreciating and recognizing them – and not about sexualizing women, as has been done for centuries. It’s about showing that they are more and have always been more.

How this visibility is accomplished, I definitely did not want to miss. The Schader Forum is very easily accessible by line 3E towards Lichtenbergschule. Standing in front of the Forum, you first have to go through a revolving door, then you find yourself in an entrance hall and have to go down a flight of stairs. The whole thing initially gives me a strange feeling, as due to prevailing silence and emptiness, it initially does not feel allowed to just walk down the stairs. Arriving in the exhibition room, my companion and I are welcomed with the warm words: „How nice to see such friendly faces.“ Apart from us and the security, no other person is present. The entire exhibition room gives me the feeling of being in a library, where one must be careful not to breathe too loudly. The room is enclosed by high wooden walls and also such that stand in the middle of the room, like labyrinth walls that guide you and present the exhibits. The first impression is both oppressive and peaceful.

Lise Meitner tells
The next thing that draws attention are the large pictures hanging everywhere; these are the AI-generated images of the female scientists. If you step closer, you see in black and white the description of each woman. Name, birth data, rough biography, and important scientific achievements. A special feature that strikes me: In the upper right corner of each picture is a headphone symbol and a QR code for scanning, to make the whole experience relatively barrier-free. A nice idea, but I wish it had been more written out beforehand, be it on the website or the banners, as I think few people bring headphones to an exhibition. The creative thing is that the text was spoken by an AI. The voice used here, and with which the AI worked, is that of the scientist Lise Meitner. Either above or below the description, you can then see an original picture of the female scientists. Also, the AI prompt used to generate the image is readable in a small, neon-yellow square box. I find this aspect particularly interesting, as I can thus understand exactly what the AI worked with.

Discrepancies
What I notice first in the first two images is that the women depicted look very similar to each other. Both in terms of facial features and age. The problem is especially that the first AI input, which represents the scientist Cecilia Payne-Gaposchkin, translated read: „[Photo of Cecilia Payne] as a 50-year-old scientist, standing in front of a telescope, smiling, press photo from 1940, emotional, award-winning“ and yet a very young woman in her twenties was depicted. In perfect comparison, the AI image of Elisabeth Schiemann, a geneticist, botanist, and early opponent of the Nazis, which hangs directly next to the first. Here the AI input includes that a twenty-year-old should be depicted. The two women look confusingly similar in their AI images.

Such duplications otherwise did not catch my eye. The accurate representation of age, however, remains somewhat questionable. The female scientists tend to look much younger than the AI should represent them, hardly any wrinkles, soft faces. On another prompt, representing Lise Meitner, who discovered nuclear fission together with Otto Hahn, it states that she should be laughing. On the generated image, however, one only sees a reproduction of Lise Meitner with a very expressionless face.

Considering the occasional inaccuracies of the images, I wondered whether the representation is actually representative. I appreciate the attempt and understand how important it is to close this gap of suppression, but I wonder how valuable it is to then have a wrong face in mind. On the one hand, you at least know that a woman was behind this discovery or work, but on the other hand, you might have a completely different person in mind. It must also be said that there are also images that look relatively representative, but it seems to me that this was only the case when there were already several good images of the female scientist. This is also the case with Erika Spiegel, who won the first Schader Prize in 1993. The missing photo from her award ceremony – it simply wasn’t taken at the time – was the idea for the exhibition. It is meant to remind us of such monumental events that have never been captured and to represent and retrospectively capture women like Erika Spiegel.

The sexism of AI
Passing the pictures and texts, you end up in front of a screen and a sofa. On the screen, the process of creating the pictures is shown. Here it is illustrated how many attempts it takes to generate an appropriate image or that some images in the end are composed of three individual images. I find it particularly important that both the prejudices and the difficulties that artificial intelligence brings with it are addressed. This becomes particularly clear when one asks the AI, for example, to generate an image of a scientist. In English, „scientist“ is gender-neutral – there is no generic masculine. The images that the AI spits out show no diversity: the first attempt simply produced four white, old men with beards.

Since our societal structures are sexist, racist, and discriminatory, it is naturally reflected in the end products of AIs. It is all the more important to educate about this as well. A tip given by the exhibitors is to try „counter-prompting.“ For example, one should specifically enter „female scientist“ to train the AI in the long run. Although the word „scientist“ should automatically include the option „female,“ the AI is unfortunately not there yet.

My conclusion
I would recommend everyone to visit the exhibition. The only female scientist I previously knew by full name and knew what she had discovered was Marie Curie. Now I know 16 more. Even if I did not find the images too representative at times, I still think it is important to engage with the basic issue of the underrepresentation of women in science. The exhibition not only encourages critical thinking but especially also to reflect on our current structures.

Attention:
You can visit the free exhibition until the end of June 2024. It’s best to check the opening times beforehand, as the exhibition is only open from Friday to Sunday. You also have the opportunity to participate in public tours without prior registration. https://www.schader-stiftung.de/themen/kommunikation-und-kultur/fokus/kunst-und-gesellschaft/artikel/ausstellung-versaeumte-bilder-frauen-in-der-wissenschaft-sichtbar-machen

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