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„Wir möchten eine andere Welt erschaffen.“

von Emilia (05.10.2023)

Darmstadt Hauptbahnhof. So wie jeder Hauptbahnhof ist auch dieser eher trist als fröhlich. Grauer Boden, wenig begrünt und wenn man Pech hat, tritt man in einen Kaugummi. Doch noch auf dem Gelände des Darmstädter Hauptbahnhofs verbirgt sich ein kleiner grüner Garten. Die Klause.

Von außen ist die Klause eher unscheinbar. Umringt wird der Garten von Steinmauern. Das Häuschen der Klause sieht eher aus wie ein Kiosk, doch hinter den Steinmauern, an einer  großen Weide vorbei, sitzt Dieter Krellmann. Er spricht mit Pablo, einer helfenden Hand der Klause. Die beiden trinken Limonade und genießen die Sonne. Dieter ist Mitgründer der „Initiative essbares Darmstadt“. Dazu gehört auch die Klause. Er weist zu Hans hinüber, der im Häuschen in der Werkstatt arbeitet. Hans ist Glaser und eigentlich in Rente. Früher habe er Kirchenfenster konstruiert und heute schmückt er in seiner Freizeit die Fenster der Klause mit seinen Kreationen. „Hier war  schon vieles drin. Einmal war hier auch ein Jazz Club, den hab’ ich auch gern mal besucht“, erzählt Hans von der Geschichte der Klause. Nach einer längeren Plauderei macht sich Hans wieder an sein Handwerk.

Ein grünes und essbares Darmstadt für alle

Wartend sitzt Dieter mit einer Zigarette draußen auf einer Bank. Er trägt ein knallig-senfgelbes T-Shirt und einen Strohhut. 61 Jahre ist der Kommunikationsdesigner alt, er selbst beschreibt sich als Gestalter und Künstler. Im Garten der Klause wachsen viele essbare Pflanzen. Die Bewohner*innen Darmstadts können ihr selbstgemachtes Essen mitbringen und es mit den verschiedenen Kräutern und Früchten der Klause verfeinern. In ganz Darmstadt wurden in den letzten Jahren Gärten, Hoch- und  Nachbarschaftsbeete gebaut, gepflanzt und gegossen und danach geerntet. Die Initiative wurde 2016 mit dem Gedanken, öffentlichen Raum zu schaffen, gegründet. „Alle Aktionen, die von der Initiative ausgehen, dürfen die Menschen nichts kosten, weil wir natürlich alle Menschen bei uns haben wollen“, erklärt Dieter.  

Im Frühjahr können Darmstädter*innen bei einem Saatgut-Tausch mitmachen. Dabei achtet das Team der Initiative auf die Vielfalt und Biodiversität der angebotenen Pflanzen. „Wenn man sich schon die Mühe macht, Salat,  Karotten oder Tomaten zu pflanzen, dann auch die Arten, die es im Supermarkt vielleicht nicht gibt. Wir haben etwa 150 Tomatensorten.”

“Wir möchten, dass die Pflanzen wahrgenommen werden.”

Dieter spricht begeistert über die vielen verschiedenen Pflanzenarten, die in der Klause wachsen. Er zeigt auf eine Pflanze namens „Hosta“, die erstmal nicht essbar aussieht. „Sie schmeckt aber total gut”, erzählt er. “Vor allem kann man die Blüten kandieren und anbraten und dann hat man einen ganz außergewöhnlichen Nachtisch“.

Pflanzen als etwas besonderes und nicht nur als Grünzeug zu sehen, ist für Dieter sehr wichtig. Er möchte erreichen, dass Leute hinschauen und sich interessieren, denn dann können sie wahrnehmen. „Da ist wieder der künstlerische Ansatz. Jeder Künstler möchte Wahrnehmung auslösen. Ein Maler möchte, dass seine Bilder wahrgenommen werden. Wir möchten, dass die Pflanzen wahrgenommen werden.”

Pablo unterbricht kurz das Gespräch und bietet Getränke an. Dieter bestellt die hausgemachte Rosmarin-Liomande der Klause. Hergestellt aus dem Rosmarin, der nur wenige Meter weiter in den Kräuterbeeten wächst. Mit der Limonade in der einen und der nächsten Zigarette in der anderen Hand, erzählt Dieter, dass es wichtig sei, sich von Gewohnheiten zu trennen und neue Sachen auszuprobieren. „Diese Angst wollen wir den Menschen nehmen. Sie sollen sich hier in der Klause von ihren Gewohnheiten trennen. Es ist auch nicht gewöhnlich, dass ein Garten mit essbaren Pflanzen direkt am Bahnhof steht.”

Das Hochbeet bleibt!  

Immer wieder kommen andere Mitglieder der Klause an. Dieter begrüßt Jess. Sie ist auch ein Teil des Teams und hilft bei den Projekten der Initiative mit. Dieter erzählt von einem Projekt am Staatstheater in Darmstadt: Für eine Veranstaltung sollte der sogenannte Büchnergarten mit Hochbeeten gebaut, nach der Veranstaltung jedoch wieder abgebaut werden. Die Initiative wollte die Idee umsetzen, jedoch unter der Bedingung, dass der Büchnergarten bleibt. Daraufhin hat sich eine Gruppe von etwa sieben Menschen zusammengefunden, die sich nun um die Hochbeete kümmert. Mittlerweile sind es weitaus mehr als sieben Menschen.

Viele helfende Hände

Immer wieder fallen neue Projekte an. Dieter führt durch den Garten und erklärt dabei einzelne Projekte und Pflanzen. Angefangen bei einem kleinen Bienenstock von einem Darmstädter Imker. Man hört das leise Summen beim Öffnen der kleinen Holztür. Hinter den Bienen wird ein kleiner Teich angelegt. Im letzten Jahr noch soll die Klause ganz anders ausgesehen haben. Dort, wo jetzt der Teich angelegt wird, gab es noch weitere Sitzmöglichkeiten für  Besucher*innen. Zusammen mit dem Projekt „Schlaues Wasser Darmstadt“ wird der Teich gebaut, der ein Volumen von 15 Kubikmetern erreichen soll. Regenwasser wird von einer Zisterne gesammelt und anschließend in den Teich gefüllt. Helfer*innen wie Jess sind dabei aktiv am Bau des Teiches beteiligt. Auch außerhalb des Teams gibt es einige, die die Klause unterstützen. Große Steine für den Teich erhält die Klause vom Vivarium, dem Zoo in Darmstadt, mit dem auch schon eine Zusammenarbeit besteht. Als Künstler ist dem 61-Jährigen natürlich auch die Gestaltung des Teiches sehr wichtig: „Wir haben einen Beamer gekauft, mit dem wir unterseeische Projektionen machen wollen, zum Beispiel Wellen oder Tiere. Wir möchten eine andere Welt erschaffen.“

Terra Preta  

Weiter geht es zu einem großen Gefäß mit einer ebenso großen, wenn nicht sogar noch größeren, Bedeutung. Dieter schraubt den Deckel auf, zu sehen ist schwarze Erde. Sie fühlt sich sehr weich und leicht an. Das erste Projekt der Initiative ist auf diese Erde zurückzuführen.

Dieter holt weit aus und erzählt, was es mit der Erde auf sich hat. Die sogenannte Terra Preta ist eine spezielle Erde, die Indios vor etwa 4500 Jahren genutzt haben sollen. Aus dem Portugiesischen übersetzt heißt Terra Preta schwarze Erde. Eine Erde, die extrem fruchtbar ist, da sie viel Wasser und Nährstoffe speichern kann. Dies ist gerade in trockenen, heißen Sommermonaten sehr von Nutzen. „Terra Preta spielt für die Umwelt nicht nur eine wichtige, sondern die wichtigste Rolle. Ich weiß, das hört sich hochtrabend an, doch ich bin voll davon überzeugt”, erzählt Dieter.

Unter dem Titel „Zukunft des Zusammenlebens“ gab es 2014 eine Ausstellung am Osthang in Darmstadt. Bei dieser Ausstellung wurden sogenannte „Zick Zack Beete“ angelegt. Auch Dieter wirkte bei dieser Ausstellung mit: „Ich habe damals gesagt, eine Zukunft des  Zusammenlebens wird es nicht geben, wenn wir keine Terra Preta haben.“ So wurden zwei Hochbeete mit Terra Preta an den Osthang gestellt. Es war das erste Projekt der Initiative. Daraus ergaben sich weitere Projekte, wie zum Beispiel die Klause. Inzwischen sei Darmstadt die Stadt, in der Terra Preta am meisten genutzt werde, erzählt Dieter.

Ein Museum aus essbaren Pflanzen 

Als nächstes macht Dieter an einem Komposthaufen Halt. Kompost ist auch sehr nährstoffreich, zum Beispiel das angrenzende Beet der Melonen und Zucchini profitiere von diesen Nährstoffen. Anders als die Terra Preta, die fermentiert wird, verstoffwechselt sich  Kompost. Außerdem sei Kompost sehr wichtig, da dort Lebewesen wie Asseln und Mäuse ihr zu Hause fänden.

Ein paar Schritte weiter rankt sich neben einem Gewächshaus die „Litschi Tomate“ an einer Metallspirale in die Höhe. Die Litschi-Tomate ist zwar sehr schmackhaft, aber der Strauch garantiert blutige Finger: Sowohl am Stängel als auch am Blatt ist diese Pflanze voll mit Stacheln. 

Vorbei an einem Feigenbaum, einem Kräuterbeet und einer Salatwand, steht Dieter vor Hopfenpflanzen. Sie wachsen eigentlich kerzengrade nach oben. Das Team der Klause hat es jedoch geschafft, dass die Pflanzen durch eine Krümmung von 35 Grad Schatten geben. Das ist aber die absolute Grenze, meint Dieter. „Alles, was weniger als 35 Grad ist, hat keinen Halt, weil der Hopfen eigentlich immer nach oben will.“ Die Initiative plant zurzeit ihre eigene Brauerei aus dem Hopfen, der im Garten wächst.

Der letzte Stop in dem „essbaren Pflanzen-Museum“ ist eine Bühne, auf der Konzerte oder andere kleine Veranstaltungen stattfinden. Ansonsten stehen dort weitere Tische und Stühle zur Verfügung. Die Klause ist also nicht nur ein nachhaltiges Projekt für unsere Umwelt, sie übermittelt Wahrnehmung und Wissen der Pflanzenwelt und bringt Menschen zusammen. Von der Bühne aus verabschiedet sich Dieter und hilft seinem Team weiter, den Garten neu zu gestalten und zu pflegen.

English version (automated translation):

„We want to create a different world.“

by Emilia (05.10.2023)

Darmstadt main station. Like every central station, this one is more dreary than cheerful. Gray ground, little greenery and if you are unlucky, you step into a chewing gum. But still on the grounds of Darmstadt’s main station hides a small green garden. The „Klause“.

From the outside, the Klause is rather inconspicuous. The garden is surrounded by stone walls. The little house of the Klause looks more like a kiosk, but behind the stone walls, past a large willow, sits Dieter Krellmann. He is talking to Pablo, a helping hand at the hermitage. The two are drinking lemonade and enjoying the sun. Dieter is co-founder of the „Initiative edbares Darmstadt“. The Klause is also part of this. He points over to Hans, who is working in the workshop in the little house. Hans is a glazier and actually retired. He used to construct church windows, he says, and today he decorates the windows of the Klause with his creations in his spare time. „There have been a lot of things in here. At one time there was also a jazz club here, which I also liked to visit,“ Hans tells of the history of the Klause. After a long chat, Hans gets back to his craft.

A green and edible Darmstadt for all
Waiting, Dieter sits on a bench outside with a cigarette. He is wearing a bright mustard yellow T-shirt and a straw hat. 61 years old, the communication designer describes himself as a designer and artist. Many edible plants grow in the Klause garden. Darmstadt residents* can bring their homemade food and refine it with the various herbs and fruits of the Klause. Gardens, raised beds and neighborhood beds have been built, planted and watered, and then harvested throughout Darmstadt in recent years. The initiative was founded in 2016 with the idea of creating public space. „All the actions that come from the initiative must not cost people anything, because of course we want everyone to be with us,“ explains Dieter.

In spring, Darmstadt residents can participate in a seed swap. The team of the initiative pays attention to the diversity and biodiversity of the plants offered. „If you’re going to go to the trouble of planting lettuce, carrots or tomatoes, then you should also plant the species that might not be available in the supermarket. We have about 150 varieties of tomatoes.“

„We want the plants to be noticed.“
Dieter talks enthusiastically about the many different types of plants growing in the hermitage. He points to a plant called „hosta,“ which doesn’t look edible at first. „It tastes totally good, though,“ he tells us. „Above all, you can candiate and sauté the flowers and then you have a very unusual dessert.“

Seeing plants as something special and not just as green stuff is very important to Dieter.
He wants to achieve that people look and are interested, because then they can perceive.“There’s the artistic approach again.Every artist wants to trigger perception. A painter wants his paintings to be perceived. We want the plants to be perceived.“

Pablo briefly interrupts the conversation and offers drinks.Dieter orders the hermitage’s homemade rosemary liomande.Made from the rosemary that grows just a few feet away in the herb beds. With the lemonade in one hand and the next cigarette in the other, Dieter talks about the importance of breaking habits and trying new things. „We want to take that fear away from people. They should separate themselves from their habits here in the hermitage. It’s also not common to have a garden with edible plants right at the station.“

The raised bed stays!
Again and again other members of the hermitage arrive. Dieter greets Jess. She is also part of the team and helps with the initiative’s projects. Dieter tells about a project at the Staatstheater in Darmstadt: the so-called Büchner garden with raised beds was to be built for an event, but dismantled again after the event. The initiative wanted to implement the idea, but on the condition that the Büchner garden would remain. As a result, a group of about seven people got together and now takes care of the raised beds. In the meantime, there are far more than seven people.

Many helping hands
New projects are coming up all the time. Dieter leads through the garden and explains individual projects and plants. Starting with a small beehive from a beekeeper in Darmstadt. You can hear the quiet buzzing when you open the small wooden door. Behind the bees a small pond is created. Last year the hive looked quite different. There, where the pond is now being built, there were other places for visitors to sit. Together with the project „Clever Water Darmstadt“ the pond is built, which should reach a volume of 15 cubic meters. Rainwater will be collected from a cistern and then filled into the pond. Helpers like Jess are actively involved in the construction of the pond. There are also some people outside the team who support the hermitage. The Klause receives large stones for the pond from the Vivarium, the zoo in Darmstadt, with which there is already cooperation. As an artist, the design of the pond is of course also very important to the 61-year-old: „We have bought a beamer with which we want to make undersea projections, for example waves or animals. We want to create a different world.“

Terra Preta
We continue to a large vessel with an equally, if not even greater, significance. Dieter unscrews the lid and black soil is visible. It feels very soft and light. The first project of the initiative can be traced back to this earth.

Dieter takes a wide swing and tells what the earth is all about. The so-called Terra Preta is a special earth that Indios are said to have used about 4500 years ago. Translated from Portuguese, Terra Preta means black earth. A soil that is extremely fertile because it can store a lot of water and nutrients. This is especially beneficial in dry, hot summer months. „Terra Preta plays not only an important role for the environment, but the most important role. I know that sounds pompous, but I am fully convinced of it,“ Dieter tells me.

Under the title „Future of Living Together“ there was an exhibition on the eastern slope in Darmstadt in 2014. At this exhibition, so-called „Zick Zack beds“ were created. Dieter also participated in this exhibition: „I said then, there will be no future of living together if we don’t have Terra Preta.“ So two raised beds with Terra Preta were placed on the eastern slope. It was the initiative’s first project. This resulted in other projects, such as the Klause. In the meantime, Darmstadt is the city where Terra Preta is used the most, Dieter says.

A museum of edible plants
Next, Dieter stops at a compost pile. Compost is also very rich in nutrients; the adjacent bed of melons and zucchini, for example, benefits from these nutrients. Unlike terra preta, which is fermented, compost metabolizes. In addition, compost is very important because creatures such as woodlice and mice find their home there.

A few steps further, next to a greenhouse, the „lychee tomato“ grows upwards on a metal spiral. The lychee tomato is very tasty, but the shrub guarantees bloody fingers: both the stem and the leaf of this plant are full of thorns.

Passing a fig tree, a bed of herbs and a wall of lettuce, Dieter stands in front of hop plants. They actually grow upward candlemarks. The Klause team, however, has managed to make the plants give shade by bending them 35 degrees. But that’s the absolute limit, Dieter says. „Anything less than 35 degrees has no support because the hops actually always want to go up.“ The initiative is currently planning its own brewery from the hops that grow in the garden.

The last stop in the „edible plant museum“ is a stage where concerts or other small events take place. Otherwise, there are other tables and chairs available. So the hermitage is not only a sustainable project for our environment, it transmits perception and knowledge of the plant world and brings people together. From the stage Dieter says goodbye and continues to help his team to redesign and maintain the garden.

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